Auch ohne seinen fahrlässigen Satz über die "rote Linie" stünde US-Präsident Barack Obama jetzt unter massivem Druck, auf den vermuteten Giftgaseinsatz des syrischen Regimes zu reagieren. Die Verwendung von Chemiewaffen ist ein dramatischer Verstoß gegen alle internationalen Regeln und kann von der Führungsmacht der westlichen Welt nicht einfach übergangen werden.

Doch die Voraussetzungen für eine Militäraktion sind heute genauso schlecht wie zuvor, die Erfolgschancen ebenso unsicher. Obama braucht einen Weg, um das Assad-Regime in die Schranken zu weisen, die Glaubwürdigkeit der USA zu bekräftigen und sie dennoch nicht in einen Konflikt hineinzuführen, in dem weder Sieg noch Frieden möglich sind. Doch dieses Zaubermittel kennt niemand.

Die einzig gute Nachricht für Obama ist, dass es Russland nicht viel besser geht. Auch Wladimir Putin würde ein bewiesener Giftgaseinsatz durch seine syrischen Klienten ins Dilemma stürzen, denn auch er sieht sich - trotz traditioneller russischer Realpolitik - als Hüter internationaler Regeln. Erstmals könnten sich daher amerikanische und russische Interessen zu Syrien treffen und den Weg für eine Initiative im UN-Sicherheitsrat eröffnen, mit der eine Militäraktion zumindest hinausgezögert werden kann.

Dies sollten Obama und Putin eigentlich direkt besprechen. Ärgerlich, dass die USA den geplanten Gipfel kommende Woche wegen der Snowden-Affäre abgesagt haben. (Eric Frey, DER STANDARD, 26.8.2013)