Der Stein des Anstosses.

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"Es ist Auftrag der Freiheitlichen, Stronach und sein 'Team' alt aussehen zu lassen", gab "Zur Zeit" diese Woche als Wahlkampfparole aus, und "das bessere Programm" sollten sie auch noch präsentieren. Das ist nicht wenig verlangt, aber H.-C. Strache unterzog sich sofort dieser Aufgabe, wie "Österreich" vom Montag zu entnehmen war. "Strache gegen Stronach – das Nackt-Duell" hieß es da, dem Text annähernd entsprechend, denn nur "Duell" stimmte, die Nacktheit ging nicht über das hinaus, was man an Seen und in Bädern tausendfach sehen kann. Die intellektuelle Auseinandersetzung in diesem Wahlkampf hat damit ihren Höhepunkt zweifellos überschritten, blieb aber hinter ähnlichen Darbietungen im Ausland weit zurück, wo die körperliche Nacktheit durch geistige unterstrichen wurde, indem sich regierende Flitzer mit Gewehren oder Angeln maskulinisierten.

Die hiesigen Exhibitionisten waren insofern eine Enttäuschung, als sie nicht einmal mit einer Tätowierung aufwarten konnten, die heutzutage doch zur Grundausstattung gehört, wenn man etwas mit dem Körper zu sagen hat. Straches Body in der Badehose hätte Stammwähler sicher mehr beeindruckt, hätten sie davon die Botschaft "Unsere Ehre heißt Treue" oder wenigstens "Liebe deine Nächsten" ablesen können. Da wurde eine Werbefläche ebenso schlecht genutzt wie bei Stronach, auf dessen Bauch ein pfeildurchbohrtes Herz den Eindruck des verwegenen Wahrheitsbringers zweifellos befördert hätte.

Wolfgang Fellners Bewertung der Auftritte fiel wie immer feinsinnig differenziert aus. "Der Stronach-Strip ist auch sehr politisch: Er zeigt das neue Selbstbewusstsein der Generation "60 plus". In der Politik. Bei der Fitness. Beim Aussehen." Hingegen "dass HC Strache sofort mit seinen Fitnesscenter-Muskeln kontert, zeigt: Dieser Wahlkampf wird zur Showbühne."

"Die Presse" diagnostizierte daraufhin: "Wir leben in der Ära des Waschbrettbauchs" und stellte die Frage: "Wieso ist der trainierte männliche Oberkörper ein so beliebtes Motiv geworden?" Möglicherweise weil er vom untrainierten Kopf ablenkt, der als "Sexualsignal" ja seltener eingesetzt wird. "Pragmatisch könnte man sagen: Ein Körperteil, der (auch) vorgezeigt wird, um potenzielle Sexualpartner zu beeindrucken, dient offenbar als solches." Ob Strache und Stronach die Wählerinnen und Wähler als "potenzielle Sexualpartner" betrachten, sollte man ihnen vielleicht in einem der vielen sonst so langweiligen Interviews zu entlocken trachten.

Strache müsste da vorsichtig sein. Denn im "Kurier" vom Sonntag sonderte er das "Sexualsignal" ab: "2014 wird geheiratet". Schwer zu sagen, wieso der Eindruck entsteht, dass der selbsternannte Herzenskanzler der Österreicher jedes Mal vor Wahlen eine Hochzeit ankündigt. Immerhin, es bringt nie weniger als eine Doppelseite "Talk rund um die Hochzeit". Wann es diesmal so weit sein wird, war nicht zu erfahren. Vielleicht liegt das an seinem "Sexualsignal". "Macht ist sicherlich sexy", findet "HC Straches Verlobte". Aber in der Badehose lässt sich Macht umso schwerer si­gnalisieren, je weniger man davon als Angezogener hat.

Damit sieht es beim Institutsleiter Stronach schon besser aus. An seiner absoluten Macht lässt er nie einen Zweifel aufkommen, ist sie doch finanziell unterfüttert. Nachdem er schon eine Partei zusammengekauft hat, will er nun über das Frank-Stronach-In­stitut die Jugend mit Geld zum Denken anregen. Selber ließ er bisher im Nebulosen, was er als Bundeskanzler tun würde, scheute sich aber nicht, in Inseraten zu fragen: "Was würdest du tun, wenn du Bundeskanzler wärst?" "Wer eine tolle Idee dazu" hat, soll sie einschicken, "verpackt in einem einminütigen Video", denn die Tollheit der Idee soll sich nicht nur in Grenzen halten, sie wird auch nach Tollheitsgraden bewertet: "500,– Euro für die besten 100 Ideen, 100.000,– Euro für die gewinnende Idee."

Das müsste natürlich eine Idee sein, die Frank Stronach noch nicht gehabt hat, was völlig ausgeschlossen ist. So war es eine "gewinnende Idee", den Ideenwettbewerb anzuleiern, weil sich die "Kronen Zeitung" am Sonntag gleich zu einem ganzseitigen In­ter­view zur Verfügung stellte, dessen Informationsgehalt null, dessen Inseratenwert dennoch "gewinnend" war. Darin lernen wir Stronach als Naturforscher kennen. "Es ist ja ein Naturgesetz, dass sich die beste Idee mit Sicherheit durchsetzt", sagte er. Aber nicht zu weit, denn die Umsetzung erfolgt "natürlich immer in Abstimmung mit unserem Programm." (Günter Traxler, Der STANDARD, 24./25.8.2013)