In diesen Tagen erscheint Daniel Kehlmanns neuer Roman "F". Wie ihn die Literaturkritik und die Leser aufnehmen werden, ist offen. Spannend wird auf alle Fälle Kehlmanns Selbstinszenierung in den Medien in den folgenden Tagen und Wochen zu beobachten.

Daniel Kehlmann. Kaum ein Literaturinteressierter, der kein Bild zu diesem Autor im Kopf hat. Sein Image ist klar. Er ist kaum verwechselbar. Aber wie kommt das? Und was hat das für Folgen?

Konsequente Inszenierung

Kehlmanns Bücher verkaufen sich hervorragend, und er ist ein viel geehrter und gewürdigter Autor. Ob Kehlmann ein derart brillanter Erzähler ist oder eher zufällig mit seinen Inhalten den Nerv der Zeit trifft, kann erst in einigen Jahrzehnten beurteilt werden. Sicher ist aber, Kehlmann ist, wie selten ein österreichischer Autor, konsequent in seiner Selbstinszenierung. Diese ist (neben Inhalt und Stil) ein wichtiger Baustein für den Erfolg eines Autors. Selbstinszenierung meint den Habitus in der Öffentlichkeit - ob in TV, Zeitungen oder die bei Lesungen. Das hat nichts mit einer Verstellung zu tun, viel mehr mit einer klaren Präsentation der eigene Eigenschaften und Einstellungen.

Provokateure wie Peter Handke oder Thomas Bernhard haben vorgezeigt, wie sich ein Autor inszenieren kann. Daniel Kehlmann macht es nach. Allerdings auf seine Weise. Kehlmann liegen die Provokationen oder Österreich-Beschimpfungen fern. Er konzentriert sich auf bildungsbürgerliche, konservative Themen. In Interviews und Kolumnen glänzt er mit seiner Allgemeinbildung, inhaltlich gibt er den apolitischen Erzähler, der primär unterhalten will.

Literarische Vorbilder

In das stimmige Bild seiner Selbstinszenierung passen auch seine literarischen Vorbilder, die er immer wieder betont: etwa die großen Erzähler Jorge Luis Borges und Gabriel García Márquez, oder Autoren von Unterhaltungsromanen wie Stephen King und Thomas Pynchon. Konsequenterweise versucht er sich vom österreichischen und deutschen Kanon abzugrenzen. Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek und  die Gruppe 47 lehnt er ab. Kehlmann versucht sich als echte Alternative zu Bisherigem in der deutschsprachigen Literatur zu inszenieren.

Wenn Kehlmann in Interviews immer wieder seine Kritik am Literaturmarkt inklusive der dortigen Marketingpraktiken vorbringt, wirkt sie nur bedingt glaubwürdig. Selten gibt es im literarischen Betrieb einen Künstler, der mit diesen Praktiken besser umgehen kann als er. Auch durch diese Fähigkeit gelingt ihm eine stimmige Positionierung im literarischen Feld: Daniel Kehlmann, der konservative, bildungsbürgerliche Erzähler. Diese Position scheint rund um das Jahr 2000 im deutschen und im österreichischen Feld frei zu sein. Das Publikum scheint einen solchen Autor zu verlangen. Kehlmann schafft es, diesen Platz zu besetzen und sowohl kommerziellen als auch künstlerischen Erfolg zu haben. Denn am literarischen Markt steigt die Konkurrenz ebenfalls und bedingt dementsprechend einen stärkeren Kampf um mediale Aufmerksamkeit. Dabei ist ein klares Image, eine eindeutige Feldposition von Vorteil. Und beides finden wir bei Daniel Kehlmann. (Klaus Bichler, Leserkommentar, derStandard.at, 23.8.2013)