Zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf - eine böse Kombination.

Foto: derStandard.at

"Manchmal ist der Nachtdienst so stressig, dass ich nicht zum Schlafen oder zum Essen komme", sagt Mario B., 25-jähriger Polizist. Wenn nach so einer Nacht auch noch ein stressiger Tagdienst folgt, "weiß ich wirklich nicht mehr, wo mir der Kopf steht".

Zwölf-Stunden-Schichten sind bei der Polizei der Normalfall, manchmal werden daraus auch mehr als 24 Stunden. Noch länger arbeiten Spitalsärzte: Bis zu 30 Stunden am Stück verbringen sie im Krankenhaus. "Ich komme mit der Uhrzeit komplett durcheinander, habe keinen Rhythmus mehr", sagt B. Anstrengend ist es, aber: "An Folgen für meine Gesundheit denke ich nicht."

Kraft verbraucht

Wird der Stress jedoch zu groß, spielt der Körper nicht mehr mit: Seit dem Tod des deutschen Praktikanten Moritz E. werden die Auswirkungen von zu viel Arbeit und zu wenig Schlaf heftig diskutiert. Mitbewohner fanden den 21-Jährigen in der vergangenen Woche tot in der Dusche auf. Obwohl die genauen Umstände noch ungeklärt sind, sprechen einige Medien von einem "Zu-Tode-Schuften": Denn der Praktikant der Londoner Investmentbank Merrill Lynch soll drei Nächte lang durchgearbeitet haben, bevor er zusammenbrach. "Das ist ein immenser Stress für den Körper", sagt Gesundheitspsychologe Rudolf Schoberberger vom Institut für Sozialmedizin am Zentrum für Public Health/ Medizinische Universität Wien.

Der Mensch könne sich zwar bis zu einem gewissen Grad adaptieren, "irgendwann ist die Kraft aber verbraucht". Die Folgen: Gesundheitsschäden bis hin zum Ausfall der Organe – meist versagt das Herz-Kreislauf-System, Herzinfarkt oder Schlaganfall können das Leben kosten. "Wir brauchen ausreichend Schlaf als Regeneration, sonst sind wir psychisch und physisch überfordert", sagt Schoberberger. Als ideal gelten ungefähr acht Stunden Schlaf pro Nacht.

Unterschätzter Dauerstress

Nicht nur Schlafmangel, auch permanenter Stress wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Oft steigt bei Menschen, die im Job unter Dauerdruck stehen, der Blutdruck, Diabetes und Fettstoffwechselkrankheiten sind in dem Zusammenhang keine Seltenheit, sagen Kardiologen.

Wie gesundheitsschädlich andauernder Stress sein kann, unterschätzen viele. In Japan hat das Phänomen hingegen eine eigene Bezeichnung: "Karōshi" - Tod durch Überarbeitung. In dem asiatischen Land sterben Jahr für Jahr tausende Menschen an zu viel Arbeit und zu wenigen Ruhepausen, meist an Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Aufputschmittel zur Leistungssteigerung

Problematisch sind auch die Helferchen, die bei langen Arbeitszeiten Ausdauer und Leistungsfähigkeit verbessern sollen. "Stehen wir unter Stress und sind nicht ausgeschlafen, greifen wir öfter zu Aufputschmitteln", sagt Schoberberger. Wer nach einem anstrengenden Tag schließlich Erholung sucht, kann durch die eingenommenen Substanzen oft nicht einschlafen, muss mit Schlafmitteln nachhelfen. "Da entsteht ein Kreislauf, aus dem man nicht so leicht herauskommt", sagt der Gesundheitspsychologe.

Vor allem Aufputschmittel wie Amphetamine werden immer öfter eingenommen, um die Leistung am Arbeitsplatz zu steigern. Besonders verbreitet ist die Substanz Methamphetamin - "eine gefährliche Droge", sagt Christoph Lagemann, Leiter des Instituts Suchtprävention Pro Mente in Oberösterreich. Methamphetamin ist billig, wirkt lange und stark, macht rasch süchtig. Die Droge verursacht Nervenschäden im Gehirn, es kommt zu Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen, was dem eigentlichen Grund der Einnahme widerspricht.

Auch Kokain sei in Österreich nach wie vor ein Thema, so Lagemann, allerdings sei es weniger leicht zugänglich. "Es wird aber vor allem in Berufen eingesetzt, wo viel Kreativität gefragt ist", sagt der Suchtexperte. "Jede Zeit hat ihre Drogen, und heute spielt eben Leistung eine große Rolle." (Sarah Dyduch, derStandard.at, 23.8.2013)