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In dieser ehemaligen Schule in Berlin-Hellersdorf sind die ersten Asylwerber aus Syrien und Afghanistan eingezogen - und nach massiven Protesten der Anwohner auch schon wieder daraus ausgezogen. Jetzt bewacht die Polizei das Gebäude. 

Foto: Reuters/Peter

Aus dem Plastiksackerl von Bianca Missmann lugt eine bunte Kinderhose, auch ein Brettspiel ist zu sehen. "Ich möchte diese Sachen gerne abgeben", sagt die Berlinerin zum Wachmann vor der ehemaligen Max-Reinhardt-Schule. Dann fügt sie mit fester Stimme hinzu: "Man muss ja auch einmal ein anderes Zeichen setzen."

Sie ist nicht die Einzige, die Dinge bringt, die in der ehemaligen Schule gebraucht werden. Dieter Grosse hat Kaffee dabei. "Ich bin beschämt über die Szenen, die sich hier abgespielt haben", sagt er und fragt den Wachmann, ob jetzt alles ruhig sei. Ja, erklärt der, im Moment alles okay.

Wochenlange Hetze

Dafür sorgen auch die vielen Polizisten, die rund um die ehemalige Schule in der Carola-Neher-Straße Position bezogen haben. Man will sich nicht ausdenken, was passieren könnte, wenn keine Polizei präsent wäre in dieser tristen Straße am Rande von Ostberlin, in der sich der Sperrmüll vor den Plattenbauten türmt.

Seit Wochen hetzen zwei rechtsextreme Parteien - die NPD und "Pro Deutschland" - gegen das neue Asylwerberheim in der früheren Schule. Am Montag, als die ersten Asylwerber aus Syrien und Afghanistan einzogen, verschärfte sich die Lage, am Dienstagabend eskalierte sie.

Zurück ins Erstaufnahmelager

Anwohner "begrüßten" die Neuankömmlinge mit Hitlergruß, und die NPD protestierte mit "Maria statt Scharia"-Plakaten. Auf der anderen Seite skandierten Demonstranten "Nazis raus" und hielten Schilder mit der Aufschrift "Flüchtlinge willkommen" hoch. Es kam zu Rangeleien, 25 Personen wurden festgenommen, vier Polizisten verletzt.

Einige der Asylwerber haben die Unterkunft aus Angst schon wieder verlassen und baten in ihr Erstaufnahmelager zurückgebracht zu werden. "Gut so", findet Günther, der am Mittag mit einer Bierflasche vor dem Haus steht. "Die Neger sollen nach Hause fahren. Es gibt genug Obdachlose aus Deutschland in Berlin, um die soll sich der Staat erst mal kümmern."

Glatzköpfe grölen

Dann fragt er, ob man wisse, was der bereits Erwähnte aus Braunau mit den Flüchtlingen gemacht hätte. Man möchte es nicht wissen. An der Ecke grölen junge Herren mit Glatze, dass Österreicher auch abhauen sollen. Unendlich weit weg ist die Berliner Multikulti-Lässigkeit in diesem Moment.

Um diese hat mittlerweile auch die Politik Angst. "Berlin ist eine weltoffene Stadt und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass hier für Ausländerfeindlichkeit kein Platz ist", sagt Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die Direktkandidaten von SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke und Piraten für den Bundestag haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. "Schwer traumatisierte Menschen aus Bürgerkriegsländern verdienen den Schutz, die Hilfe und den Beistand unserer Gesellschaft" heißt es in dieser.

Einige zum Nachdenken gebracht

"Das ist gut", meint Janne, "aber es reicht nicht." Der 31-Jährige engagiert sich in der Flüchtlingshilfe und ist mit einem Infostand vor Ort. Er kritisiert, dass die Politik die Bewohner von Hellersdorf völlig alleine gelassen und ihnen die Asylwerber quasi vor die Nase gesetzt habe: "Da hatten die Rechten natürlich leichtes Spiel."

Janne und sein Team versuchen nun Fakten zu vermitteln und aufzuklären. "Die nehmen uns den Job weg", ist eines der Argumente, die er oft hört. Dann erklärt er, dass Asylwerber gar nicht arbeiten dürfen. "Überzeugte Rechte erreichen wir natürlich nicht", sagt er, "aber einige andere haben wir zum Nachdenken gebracht." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 23.8.2013)