Keine Freunde hat sich der Gesundheitsminister mit dem Tabakgesetz gemacht.

Foto: Standard/Martin Fuchs

Wien - Zumindest auf dem Papier gelang Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) das, woran seine Vorgängerinnen Andrea Kdolsky und Maria Rauch-Kallath (beide ÖVP) scheiterten: eine Gesundheitsreform mit gemeinsamem Zielsteuerungsvertrag für Bund, Länder und Sozialversicherungen.

Die Ausgangslage zwingt zum Handeln: Das Gesundheitssystem arbeitet ineffizient, die Gesundheitskosten steigen seit zwei Jahrzehnten stärker als das Wirtschaftswachstum, und die Kompetenzen sind zersplittert. Bisher waren Länder und Bund für Spitäler zuständig und die Sozialversicherungen für niedergelassene Ärzte. Künftig planen Bund, Länder und Sozialversicherungen alle Leistungen für Patienten gemeinsam. Ein Zielsteuerungsvertrag soll festlegen, wie die Qualität gehoben und die Kosten gesenkt werden können.

Kein gemeinsamer Finanzierungstopf

Ist also die Gesundheitsreform der kleinste politische Kompromiss oder, wie von Stöger verteidigt, das Maximum im Rahmen des Föderalismus? Die Ärztekammer ist ein Gegner der Gesundheitsreform. Sie beklagte, nicht in die Verhandlungen mit eingebunden gewesen zu sein. Sie wurden nur von den Zahlern, also von Bund, Ländern und Sozialversicherungen geführt. Der Rechnungshof sieht in der Gesundheitsreform ebenfalls nicht den großen Wurf. Er bemängelte, dass es keinen gemeinsamen Finanzierungstopf gebe.

Das Kernproblem sieht der Rechnungshof darin, dass keine Vorschläge für eine Reform der Zuständigkeitsverteilung und der Kompetenzbereinigung vorgesehen sind. Außerdem entstehe eine weitere Zersplitterung, da es zusätzlich zur Bundesgesundheitskommission eine Bundeszielsteuerungskommission gibt, wo einstimmige Beschlüsse vorausgesetzt werden. Die Bundeszielsteuerungskommission ist aus jeweils vier Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherungen zusammengesetzt. Das werde zu Lösungen auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners führen. Auch die Finanzziele der Reform bezeichnet der Rechnungshof als "wenig ambitioniert". Von Einsparungen ist keine Rede, es geht lediglich um eine Kostendämpfung, der Anstieg der Gesundheitskosten soll reglementiert werden.

Doch die Vorgaben der Reform wirken zahnlos, denn Sanktionen für Länder, die sich nicht an die Zielvorgaben halten, sind nicht geplant. Dass jene sich dann im Machtkampf mit Bund und Sozialversicherungen zurücknehmen und sich ihre Vorherrschaft nehmen lassen, ist unwahrscheinlich.

Der Ausbau von Gruppenpraxen, längere Öffnungszeiten für Ordinationen und die bessere Abstimmung zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich sind eigentlich schon im Regierungsprogramm von 2008 festgelegt. Trotzdem werden Patienten nicht dort behandelt, wo es am sinnvollsten und am günstigsten ist. Ein Zeckenbiss am Wochenende muss nicht unbedingt in einer Notfallambulanz behandelt werden. Tatsächlich gibt es in Wien nur eine Ordination eines Allgemeinmediziners, die am Sonntag geöffnet hat. Um den Patientenansturm aus den Spitalsambulanzen wegzubekommen, plant Stöger, die Versorgung durch Hausärzte und tagesklinische Angebote auszubauen. Pro Bundesland soll es mindestens zwei interdisziplinäre Gruppenpraxen geben. Die Ausweitung von Ärzte-GesmbHs befürwortet auch die Ärztekammer, trotzdem gibt es davon bisher weniger als zehn in Österreich.

Lieblingsprojekt Elga

Einen Erfolg konnte Stöger mit dem Beschluss seines Lieblingsprojektes, der elektronischen Gesundheitsakte (Elga), verbuchen. Der Minister behauptete sich dabei mit der Durchsetzung des im Regierungsprogramm verankerten, von Anfang an umstrittenen Mammutprojekts. Er bewährte sich diesbezüglich, obwohl er von jeher als Wackelkandidat als Minister galt. Dabei war Elga nicht einmal seine Idee, er erbte sie von seinen Vorgängerinnen Rauch-Kallath und Kdolsky. Auch hier war wiederum die Ärztekammer Stögers vehementeste Gegenspielerin. Rückenwind bekam sie von Datenschützern und den Oppositionsparteien. Die Ärztekammer warnte vor dem "gläsernen Patienten", der Umgang mit sensiblen Daten sei zu wenig gesichert.

Die Befürworter wie die Patientenanwälte und die Krankenkassen sehen hingegen mehr Transparenz - für den Patienten, für die Ärzte und für die Krankenkassen. Ende 2013 wird Elga starten, bis 2017 sollen alle Spitäler, niedergelassenen Ärzte und Apotheken am Elga-System teilnehmen. 130 Millionen Euro sind für die Phase von der Errichtung bis zum Vollbetrieb angesetzt. Für Patienten ist die Teilnahme an Elga nicht verpflichtend, sie können widerrufen. Patienten können ihre elektronisch gespeicherten Befunde jederzeit einsehen und auch regeln, welcher Arzt die Möglichkeit hat, diese zu begutachten.

Am Ende der Legislaturperiode entschloss sich Stöger doch noch dafür, die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen können, ins nationale Impfprogramm aufzunehmen. Nun sollen alle Kinder bis zum Alter von 15 Jahren gegen HPV geimpft werden. Bislang war der Minister dagegen gewesen, Österreich war hier Schlusslicht in Europa.

Keine Freunde hat sich der Gesundheitsminister mit dem Tabakgesetz gemacht. Raucher sehen in Stöger einen Raucherhasser, Nichtraucher finden den Gesundheitsminister inkonsequent. Jedes Lokal muss einen abgetrennten Nichtraucherbereich haben. Lokale unter 50 Quadratmetern können sich aussuchen, ob sie Raucher- oder Nichtraucherlokal sein wollen. Eine österreichische Lösung, die Gastronomen und Gesundheitsschützer gleichermaßen glücklich machen soll - was nicht der Fall ist. (Marie-Theres Egyed, DER STANDARD, 23.8.2013)