"Ein klarer Appell an alle, die jetzt mit dem Rad durch die Fußgängerzone fahren: Bitte im Schritttempo!"

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Die Wiener Grünen-Chefin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou steht wegen der neuen Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße unter Beschuss. Im STANDARD-Interview ermahnt sie nun die Radfahrer, sich ans Schritttempo zu halten. Die Buslinie 13A will sie weiter durch die Fußgängerzone schicken, obwohl es Protest des Betriebsrats der Wiener Linien gegeben hat. Einen Konflikt Rot gegen Grün sieht sie nur bedingt: "Leider gibt es immer noch einige, die nie in der Koalition angekommen sind."

Im Herbst sollen die Anrainer des 6. und 7. Bezirks zur neuen Fußgängerzone befragt werden. Warum sie das Projekt nicht als gescheitert sieht und in den nächsten Wochen ihrer Meinung nach Beruhigung eintreten wird, sagt sie Rosa Winkler-Hermaden.

STANDARD: User "DerNeubauer" schreibt über die neue Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße: "Schön hätte sie werden können. Jetzt bin ich bald seit zwanzig Jahren Grün-Wähler. Wohne in Neubau. Aber meine lieben Freunde, das habt ihr verbockt." Was sagen Sie dazu?

Vassilakou: Das sind Einzelwahrnehmungen. Ich könnte genauso mit Postings, SMS oder Anrufen von Menschen aufwarten, die absolut begeistert sind. Ich bin die letzten Tage laufend auf der Mariahilfer Straße gewesen und vielen, vielen Menschen begegnet, die sich freuen - über mehr Platz, weniger Lärm, weniger Abgase, mehr Lebensqualität. Natürlich: Die Fußgängerzone ist eine Veränderung. Momentan sind wir in der Phase, in der man sich eingewöhnt. Was funktionieren wird und was nicht, werden wir in ein paar Wochen wissen.

STANDARD: Nach nicht einmal einer Woche werden monatelang erarbeitete Konzepte über Bord geworfen und es muss nachgebessert werden. Was ist bei der Planung schiefgelaufen?

Vassilakou: Wir haben stets betont, dass mit 16. August die Optimierungsphase beginnt. Die ist ja dazu da, zu sehen, was gut läuft und was geändert werden kann. Die letzten Tage haben gezeigt, dass es Probleme in verschiedenen Bereichen gibt. Viele Autofahrer haben sich zum Beispiel schwergetan, zu verstehen, dass es in der Begegnungszone ein Parkverbot gibt. Das war durch die weiß-gelben Linien unklar. Wir haben Hinweistafeln angebracht. Das Problem ist innerhalb weniger Stunden aus der Welt geschafft worden.

STANDARD: Aber die Schilder sind nur ein Provisorium.

Vassilakou: Seit Donnerstag gibt es auch zusätzliche Bodenmarkierungen. Was auch für viel Diskussion sorgt, sind die Radfahrer in der Fußgängerzone, weil es ungewohnt ist. Nicht nachvollziehen kann ich die Aufregung der Betriebsräte der Wiener Linien rund um den 13A. Ich bin von Busfahrern kontaktiert worden. Sie meinen, dass man ohne Probleme durch die Fußgängerzone fahren kann. Daher ist mir schleierhaft, woher die Dramatik kommt.

STANDARD: Warum haben Sie so schnell nachgegeben und zugestimmt, die Route des 13A zu verlegen?

Vassilakou: Weil das sinnlose Kontroversen sind. Wenn der Betriebsrat der Wiener Linien und ich uns ein Match liefern, dann bringt das den Wienerinnen und Wienern nichts. Wir sind keine Kleinkinder, sondern haben eine Verantwortung zu tragen. Ich wurde mit einer totalen Verweigerungshaltung konfrontiert. Es bringt nichts, den Weg stur weiterzugehen. Wir müssen Lösungen suchen, und das tun wir.

STANDARD: Ist das vielmehr ein Konflikt Rot gegen Grün?

Vassilakou: Ich würde das so nicht sehen. Ich habe auch sehr viel Unterstützung von Kollegen aus der SPÖ erfahren. Leider gibt es immer noch einige, die in der Koalition nie angekommen sind.

STANDARD: Wann wird es eine Lösung beim 13A geben?

Vassilakou: Zurzeit werden verschiedene Varianten diskutiert. Ich bitte um Verständnis, dass ich kein Datum nennen werde. Das erste Treffen ist positiv verlaufen, der Wille zu einer gemeinsamen Lösung ist vorhanden.

STANDARD: Ist die Neubaugasse die favorisierte Route?

Vassilakou: Es gibt viele Routen, die denkbar sind. Es ist zu früh zu spekulieren. Ich will einmal mehr betonen, dass es aus meiner Sicht nicht so weit hätte kommen müssen. Das Befahren der Mariahilfer Straße verläuft problemlos.

STANDARD: Sie wollen also doch dabei bleiben?

Vassilakou: Das ist eine Frage, die man nicht mir stellen soll, sondern den Betriebsräten der Wiener Linien.

STANDARD: Aber wenn es nach Ihnen geht?

Vassilakou: Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich überzeugt bin, dass es funktionieren wird. Ich bin überzeugt, dass die Fahrer der Wiener Linien problemlos schaffen, was ihre Kollegen in deutschen Städten schaffen.

STANDARD: Was wird am Samstag passieren? Wird es eine geteilte Linienführung geben?

Vassilakou: Wir werden sehen. Ich finde es keine gute Idee. Es bedeutet Unannehmlichkeiten für die Wienerinnen und Wiener, und ich sehe nicht ein, warum wir ihnen das zumuten. Mein Appell bleibt aufrecht, von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen. Ich kann das nicht gutheißen.

STANDARD: Sie haben schon angesprochen, dass es Konflikte mit Radfahrern gibt, die durch die Fußgängerzone fahren. Es liegt der Vorwurf nahe, dass Sie Klientelpolitik betreiben. Ist das so?

Vassilakou: Städte weltweit unternehmen Anstrengungen, die Zahl der Radfahrer zu steigern. Hier geht es nicht um irgendeine Klientel. Radfahren ist gut für die Entschleunigung des Verkehrs in einer Stadt und im Sinne des Klimaschutzes. Es bedeutet weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Stau und mehr Platz. Wir haben von Anfang an gesagt, wir wollen auf der Mariahilfer Straße Verkehrsberuhigung und mehr Lebensqualität erreichen.

Und wir wollen die Radfahrer, die über die Begegnungszonen fahren, nicht dazu zwingen, im mittleren Teil abzusteigen und schieben zu müssen. Voraussetzung ist allerdings, dass man in der Fußgängerzone Schritttempo fährt. Meine Beobachtung zeigt, dass es mit jedem Tag besser wird. Aber manche Radfahrer haben es noch immer nicht verstanden. Wir sind vor Ort, informieren und erklären. Ich hoffe von Herzen, dass es funktioniert.

STANDARD: Wenn es nicht funktioniert?

Vassilakou: Das wäre sehr schade. Insofern ist es ein klarer Appell an alle, die jetzt mit dem Rad durch die Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße fahren: Bitte im Schritttempo. Klar, es ist schön, ein neues Gefühl, es gibt Platz, es herrscht eine Volksfeststimmung. Aber Fußgänger haben absoluten Vorrang.

STANDARD: Wie lange wird die Probezeit dauern? Wann kommen die Bürgerbefragungen?

Vassilakou: Die Optimierungsphase dauert in den Herbst hinein. Wir wollen uns einige Monate Zeit geben. Diese Phase endet mit der Befragung, die sich an die Bevölkerung des 6. und 7. Bezirks richten wird, weil diese unmittelbar betroffen ist. Die Anrainer sollen die Möglichkeit haben, Feedback zu geben - nicht nur zu den Maßnahmen auf der Mariahilfer Straße, sondern auch zu den Begleitmaßnahmen innerhalb der Bezirke.

STANDARD: Wird die Umfrage verbindlich sein?

Vassilakou: Sicher werden wir das ernst nehmen. Warum machen wir das sonst?

STANDARD: Wenn die Anrainer sagen, das Projekt ist gescheitert, dann akzeptieren Sie das?

Vassilakou: Ich bin überzeugt, dass sich keine Mehrheit finden wird, die sich Autos und den Lärm zurückwünscht.

STANDARD: Bisher hat das Projekt 1,1 Millionen Euro gekostet. Wie viel kommt jetzt noch dazu?

Vassilakou: Wir bewegen uns auch mit den Nachbesserungen im Rahmen des genannten Budgets. Kosten würden entstehen, wenn wir etwas rückbauen müssten, aber das tun wir ja nicht.

STANDARD: Auch nicht in der Neubaugasse?

Vassilakou: Das hätte nichts mit der Optimierungsphase zu tun. Die Wiener Linien wollen die aktuelle Route des 13A ohnehin modernisieren. Je geradliniger die Streckenführung ist, desto besser, um kurze Intervalle zu ermöglichen. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 23.8.2013)