Radikal kleine, aber feine Linzer Kunsthalle im Hof der Tabakfabrik - allerdings mit Ablaufdatum.

Foto: Hannes Langeder

Das temporäre Projekt entpuppt sich als kluge Intervention.

Linz - Einige waren sich doch nicht ganz sicher. Und fragten nach dem Weg zur neuen Kunsthalle Linz. Die Überraschung war dann groß, nicht nur angesichts der Kleinheit derselben: ein Kubus, etwa 40 cm im Quadrat, der als Teil der Behausung eines Außentemperaturfühlers für die Heizung bislang ein wenig beachtetes Dasein im Hof der Tabakfabrik fristete. Geschickt ausgeleuchtet täuschte ein Foto doch einige, spielte der Betreiber (IFEK - Institut für erweiterte Kunst) mit der Sehnsucht nach einer Kunsthalle Linz.

Birgit Scholin ist eine der sechs Kunstschaffenden, die sich auf das "unglaubliche Raumangebot" einlassen. Die Wiener Animationsfilmerin ruft mit ihrer an ein Filmstill erinnernden Installation eine Erinnerung an einen geheimen Raum in ihrem Elternhaus ab; darüber hinaus schafft Scholin einen Raum voller allgemein zugänglicher Assoziationen: Der schlafenden Plastilinfigur stellt sie lebende Wüstenheuschrecken zur Seite, von denen sich eine noch während der Vernissage und vor aller Augen häutet. Kafkas Verwandlung drängt sich auf, im Hintergrund hängt briefmarkengroß ein Porträt von Sacher-Masochs Wanda.

Es wird interessant sein, zu sehen, wie die Kuratorinnen Julia Hartig und Marie-Therese Luger das augenscheinliche Missverhältnis von Kunsthalle und Tabakfabrik nun bespielen. Es ist immerhin eine radikale Kleinheit, die die Kleinstadtsehnsucht nach Größe und Urbanität, wie sie sich in der Tabakfabrik manifestiert, kommentiert oder gar herausfordert. Luger hat es in ihrer Eröffnungsrede auf den Punkt gebracht: Die Kunsthalle Linz zelebriere dieses Missverhältnis, den Unterschied zwischen Höhe und Tiefe, Spaß und Ernsthaftigkeit, Banalität und Bedeutungsschwere.

Ein "kleiner Spielplatz für unverhältnismäßig große Dinge", so Luger. Jedenfalls ein im wahrsten Sinn des Wortes kleiner, aber äußerst feiner Beitrag zu künstlerischen Produktions- und Ausstellungsbedingungen, wenn auch mit Ablaufdatum: Im Herbst und Winter führt die Kunsthalle wieder ihr Dasein als rein technisches Gerät.  (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 23.8.2013)