Im Kreis fahren wider den Stillstand - dafür stand der Name Spa in den letzten Jahrzehnten. Weil ein Formel-1-Kurs, der auch an diesem Wochenende wieder befahren wird, eines vollkommen überlagerte: Der englische Sammelbegriff fürs Heilbad kommt zwar aus Belgien. Doch die wallonische Kleinstadt Spa hatte längst selbst ein Facelifting nötig.
Noch vor zehn Jahren war die Colline d'Anette et Lubin, der bewaldete Hügel oberhalb des alten Ardennenbades, nur Villenbesitzern bekannt, die ihre noblen Residenzen da oben verborgen hielten. Heute verdient diese Colline den Namen Spa, der einst der Unterstadt gehörte. Denn hier in der Höhe dreht sich jetzt alles um das, was die Stadt früher zum Bad der Kaiser und Könige gemacht hat: heilsame Wasser.
Seit 2004 entstand im Zeichen einer Sache, die dann nicht mehr Heilbaden, sondern auf einmal Wellness hieß, das neue Herz des alten Kurortes: ein ultramodernes Thermalbadezentrum, in dessen Außenbecken die Badenden das Gefühl haben, in die grünen Ardennenwälder hinausschwimmen zu können. Großzügige Aussichtsterrassen neben den Becken und Behandlungskabinen mit modernstem medizinischem Gerät bieten nun das, was der pritschelnde Gast von heute erwartet.
Die Torfbäder, wie sie schon im verschnörkelten Prachtbau der alten Thermen unten im Zentrum von Spa angeboten wurden, haben es dennoch auch hier herauf geschafft. Und gleichsam die Aorta, die das neue Herz mit dem alten Zentrum des einst "Café Europas" genannten Kurortes verbindet, ist eine Standseilbahn, deren große Glaskabinen ständig zwischen dem alten Kurpark und dem neuen Thermalbad auf der Höhe hin- und herpendeln. Dabei ist die Talstation der Bahn so konzipiert, dass die Gäste des nebenan entstandenen Vier-Sterne-Hotels Radisson Blu Palace einen eigenen Zugang zum Aufzug haben.
Für die damals etwas verstaubte Hotellerie im Zentrum von Spa war das Haus so etwas wie eine Frischzellenkur und zugleich Anreiz für weitere Modernisierungen. Denn obwohl bereits in den 1960er-Jahren versucht wurde, das einst weltberühmte Bad aus der Bedeutungslosigkeit einer Imbissbude wachzurütteln, weil die Hauptklientel, die Engländer, wegblieb, hatte man doch allzu sehr versucht, an den alten Ruhm anzuknüpfen.
Kirchliche Kasinos werden älter
Immer noch optischer Mittelpunkt des Kurortes ist aber der stattliche Komplex des Kasinos. Bereits 1762 war es als erstes Spielkasino der Welt ausgerechnet von der Kirche gegründet worden. Der Fürstbischof von Lüttich als zuständiger Landesherr rief es ins Leben, um den allenthalben blühenden privaten Spielsalons den Garaus zu machen. Aber auch diese Institution wurde mittlerweile entrümpelt: Das Französische Roulette ist leider verschwunden, dafür klingeln Nacht für Nacht bis morgens um fünf die Spielautomaten. Auch das ein Zugeständnis an das neue Leben, das im "Café Europas" eingezogen ist.
Ein anderes Vorzeigeobjekt des neuen Spa, und zwar das nobelste, dürfte das ein wenig außerhalb im Ortsteil Creppe einsam im Wald gelegene Manoir de Lébioles sein. Belgiens König Leopold II., der unter anderem als großer Schürzenjäger in die Geschichte eingehen sollte, hat sich dieses Schlösschen für ungestörte Stunden mit seiner jeweiligen akut Angebeteten bauen lassen. Aber durch warme Bäder hervorgerufene Testosteronschübe dürften hier früher ohnehin System gehabt haben: Casanova weilte ebenso häufig in Spa und behauptete, dessen Quellen seien nur ein Vorwand, um sich hier auszuleben, so wie er es mit der Nichte seines Vermieters vorgemacht hatte.
Traum aller Schürzenjäger
Das Manoir de Lébioles jedenfalls wurde bis in die 1980er-Jahre als Nobelhotel geführt, ist dann allerdings Jahre lang leer gestanden. Erst eine beherzte Aachener Unternehmerin erwarb vor einigen Jahren das immer noch luxuriöse Anwesen und führt es als eine Art Traumhotel, in dem auch heute noch Schürzenjäger absteigen würden. Nicht zuletzt wegen jenes Künstlers am Herd - Küchenchef Oliver Stucki -, mit dem Mann inzwischen international angeben kann. Das kommt nicht von ungefähr. Spa liegt in Belgien, einem Land, das schon oft und allen Ernstes mit einem kulinarischen Schlaraffenland gleichgesetzt wurde. Und tatsächlich ist heute wieder eine überraschende Fülle an exzellenten Fresstempeln auch in die verwinkelten Gassen der Altstadt eingezogen.
Die Entwicklung in der Nachbarschaft, in Spa-Francorchamps, muss aber dazugesagt werden, mag ein wenig nachgeholfen haben, dem Kurort ein zweites Leben zu schenken. 2008 waren die aufwändigen Umbauarbeiten an der historischen Rennstrecke, die man früher als gefährliche Ardennen-Achterbahn bezeichnet hatte, beendet. Um rund die Hälfte wurde der Parcours eingeschrumpft - also quasi auf die Wellness-Variante, die besser zum neuen Spa passt. (Christoph Wendt, DER STANDARD, Rondo, 23.8.2013)