Es war ohne Zweifel der bisher größte Prozess in der Karriere von Denise Lind: Mit der Bekanntgabe des Strafmaßes im Prozess gegen Bradley Manning endete für die 53-jährige Militärrichterin im Rang eines Obersts vorerst die Zeit im Rampenlicht.

Vor dem Verfahren war die im Bundesstaat New York nahe der kanadischen Grenze Geborene auch Experten kaum bekannt gewesen. Zum wenigen, was Journalisten über ihre Vorzeit ausgegraben haben, zählt ausgerechnet ein wissenschaftlicher Artikel in der Zeitschrift Military Law Review aus dem Jahr 2000, in dem sie für das Recht der Medien argumentierte, Militärprozessen beiwohnen zu dürfen. Wenn Journalisten ferngehalten würden, hätten sie gute Chancen, unter Berufung auf den ersten Verfassungszusatz, der die Pressefreiheit festlegt, diese Zulassung einzuklagen, schrieb sie damals.

Als Medien 13 Jahre später besseren Zugang zum Manning-Verfahren verlangten, urteilte sie dennoch, dieser sei ein Privileg und kein Recht - in einem Fall, der wie kaum ein anderer in den vergangenen Jahren grundlegende Fragen von Pressefreiheit und freier Meinungsäußerung in den Vereinigten Staaten zum Thema hatte.

Dass sie sich mit der Leitung des Verfahrens in jedem Fall der Kritik von Gegnern und Anhängern des Wikileaks-Whistleblowers aussetzen würde, musste der als Mitglied der Demokraten registrierten Lind, die seit 2004 als Richterin arbeitet, schon vor Beginn des Verfahrens klar sein.

Am Ende waren es - zumindest während der Verhandlungstage - vor allem Mannings Verteidiger, die sie bezichtigten, voreingenommen zu sein und den Standpunkt der Regierung zu vertreten. Vorgeworfen wurde ihr etwa, sie habe sich gegenüber Entlastungszeugen schnell genervt gezeigt. Auch dass sie Manning für seine unter "verschärften Haftbedingungen" in Kuwait und Quantico zugebrachte Zeit nur 112 Tage auf seine schon abgebüßte Zeit anrechnen wollte, brachte ihr Kritik ein.

Während des Studiums am prestigereichen Siena College lernte sie Anfang der 1980er-Jahre ihren späteren Ehemann Scott kennen. Studienkollegen beim Reserve Officer Training Corps (ROTC) schildern Lind, damals noch eine von wenigen Frauen in diesem Ausbildungszweig, in der Washington Post als "hart arbeitende" Studentin, die gerne gegen den Strom geschwommen sei. "Sie zählt zu den Leuten, die Kriminalrecht als Freizeitbeschäftigung lesen", sagt heute ein enger Freund über sie. (Manuel Escher, DER STANDARD, 22.8.2013)