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Alle Parteien wollen sich bei den Herausgebern einschleimen": Stefan Petzners Befund über mehr Presseförderung und die lieben Kollegen.

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Es sieht ja nicht so richtig gut aus für eine weitere Legislaturperiode als Abgeordneter und Mediensprecher des BZÖ. Was machen Sie denn dann?

Petzner: Ich bin heuer zehn Jahre in der Politik. Mein Ziel ist natürlich, weiter mitgestalten und mitmachen zu können im Parlament. Wenn das nicht klappt, mache ich etwas anderes. Da gibt es mehrere Optionen.

STANDARD: Kommunikationsbranche? Eine Agentur aufmachen?

Petzner: Es gibt mehrere Optionen, aber irgendetwas in die Richtung könnte es werden. Damit beschäftige ich mich aber erst im Herbst.

STANDARD: Jedenfalls ist das eine gute Gelegenheit für eine kleine Bilanz. Was haben Sie denn in der Medienpolitik zustande gebracht?

Petzner: Zwei Punkte fallen mir da sofort ein, wo wir etwas bewegt haben: die Novelle des ORF-Gesetzes - und beim Medientransparenzgesetz haben wir Entscheidendes hineinverhandelt, nämlich das sogenannte Kopfverbot: Regierungspolitiker dürfen nicht mehr auf Kosten der Steuerzahler Werbung mit ihrem Konterfei schalten. Den Vorschlag haben wir als Erste eingebracht und schließlich durchgesetzt, damit sich Politiker da nicht mehr selbst beweihräuchern, sondern in der Sache informiert wird ...

STANDARD: ... nachdem Sie das Prinzip noch selbst mit einer Broschüre ganz im Sinne des Kärntner BZÖ genutzt hatten. Sie wussten also aus eigener Erfahrung gut, worum es da geht.

Petzner: Das ist eine sehr zynische Frage. (lacht) Auf Basis der neuen gesetzlichen Bestimmungen wäre so eine Broschüre schwierig. Damals war sie gesetzlich zulässig. Ich hatte zum Beispiel einmal eine Anzeige der SPÖ am Hals, die mir vorgeworfen hat, ich hätte auf Kosten des Landes Kärnten offene Briefe von Jörg Haider mit seinem Foto und eher parteipolitischem Inhalt geschaltet. Ergebnis: Das Verfahren wurde eingestellt, weil damals eben gesetzlich zulässig. Mit dem Medientransparenzgesetz heute wären solche Inserate nicht mehr möglich, und das finde ich auch in Ordnung.

STANDARD: Einen Aspekt von Polit-Inseraten gibt es ja nicht nur in Kärnten - aber dort wird gerade von den Behörden ermittelt: FPK-Politiker hätten über Inserate ihrer Partei oder Funktionären öffentliche Gelder zukommen lassen. Kommt Ihnen das Prinzip bekannt vor?

Petzner: Fakt ist: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt derzeit zu diesem Thema in Kärnten, es gab mehrere Hausdurchsuchungen. Ein Beschuldigter gibt solche Zahlungen auch zu. Es gibt eine ganze Reihe von Ex-Parteikollegen in Kärnten, die mit schweren Vorwürfen konfrontiert sind. Der Einzige, der politisch auf derselben Ranghöhe war, gegen den es aber keinerlei Vorwürfe in diese Richtung gibt, etwa Kickback-Zahlungen, bin ich. Weil ich immer gesagt habe: lieber ein Minus am Bankkonto als den Staatsanwalt am Hals. Das Einzige, das man mir vorwirft, ist diese Broschüre und dass ich dort Orange nicht hätte verwenden dürfen. Mehr gibt es nicht, und darum sehe ich das auch gelassen.

STANDARD: Kärnten ist da wohl kein Einzelphänomen. Es taucht ja auch gelegentlich der Verdacht etwa in Wien auf.

Petzner: Ich glaube, dass es solche Systeme nicht nur in Kärnten gibt, sondern auch in anderen Bundesländern, etwa in viel größerem Umfang in Wien. Dieses Netzwerk der Stadt Wien mit ihren ganzen Gesellschaften und Agenturen ... Im Korruptions-Untersuchungsausschuss ist etwa der rote Echo-Verlag unter massiven Korruptionsverdacht geraten. Da ist in den nächsten Jahren also noch viel aufzuarbeiten. Nicht nur in Kärnten.

STANDARD: Einer der größten medienpolitischen Brocken in der ablaufenden Legislaturperiode war das ORF-Gesetz von 2010 ...

Petzner: Wir haben die Novelle des ORF-Gesetzes zwar letztlich nicht mitbeschlossen, haben aber wesentliche Eckpunkte hineinverhandelt.

STANDARD: Warum eigentlich nicht?

Petzner: Der Knackpunkt war die Gebührenrefundierung. Wir wollten nicht dabei mitmachen, dass der ORF 160 Millionen Euro zusätzlich bekommt.

STANDARD: Und welche Eckpunkte reklamieren Sie für sich?

Petzner: Es ist uns etwa gelungen, die ursprünglich geplante massive Reduktion des Online-Angebots der Landesstudios wegzubekommen. Und wir haben "Rat auf Draht" gerettet, das wollte die Regierung nämlich abschaffen.

STANDARD: Welche Erfahren haben Sie denn mit dem ressortzuständigen Staatssekretär gemacht?

Petzner: Bei Medienthemen haben die Parteien konstruktiv und sachlich zusammengearbeitet. Ich schätze Josef Ostermayer sehr, er war bei Verhandlungen immer auch für Vorschläge der Opposition offen und hat im Sinne der Sache das Gemeinsame gesucht. Er ist auch ein sehr geschickter Taktiker mit enormem Detailwissen, hat dabei aber stets fair agiert.

STANDARD: Ostermayers Arbeitsgruppe zu einer weiteren ORF-Reform vor der Wahl mit einem kleineren Stiftungsrat ist eher versandet.

Petzner: Die Regierungsparteien wollen die Opposition aus dem Stiftungsrat kicken, die Oppositionsparteien wollen drinnenbleiben. Dann gibt es die Länderinteressen, die Landesstudios und die Landeshauptleute, die hineinregieren. Da stehen sich also mehrere politische Fronten gegenüber. Darum wird es zwar irgendwann in der nächsten Legislaturperiode die x-te Reform geben - unterm Strich wird sich aber wieder nichts ändern. Ich war als Pressesprecher 2006 am Rande involviert, als Monika Lindner mit den Stimmen des BZÖ abgewählt wurde, und weiß seither, was da hinter den Kulissen alles abrennt.

STANDARD: Das war ja eher eine Racheaktion von Peter Westenthaler, oder?

Petzner: Die Wahl von Alexander Wrabetz zum ORF-General 2006? Nein.

STANDARD: Hat sich diese Wahl aus Ihrer Sicht bewährt? War das eine gute Entscheidung?

Petzner: Bei allen Schwierigkeiten, bei aller berechtigten Kritik: Unter dem Strich ist der ORF in der Ära Wrabetz ein wesentliches Stück unabhängiger, objektiver und freier geworden - siehe etwa die "ZiB 2" mit dem sehr kritischen Armin Wolf, siehe die "Dienstagnacht". Aber das ist noch lange nicht genug, die Politik redet noch immer zu viel hinein.

STANDARD: Man muss Elmar Oberhauser nicht zum Freiheitshelden stilisieren - aber ihn abwählen zu lassen, weil er sich gegen einen TV-Chefredakteur querlegt, den er vielleicht nicht ganz zu Unrecht als SPÖ-Wunsch einstuft?

Petzner: So richtig sein Anliegen inhaltlich gewesen sein mag, Elmar Oberhauser hat das Unternehmen öffentlich auf völlig unzulässige Weise diskreditiert. Da hat er sich auch ungeschickt verhalten. Es war klar, dass der General da reagieren muss. Mir hat das leidgetan, ich schätze ihn sehr. Ich habe ihn ein paar Tage vor seiner Abwahl im Bristol gewarnt, dass er diesen Kampf nicht gewinnen wird und sein Job auf dem Spiel steht. Er hat mir nicht geglaubt, ist aufgestanden und gegangen - ein paar Tage später war er seinen Job los.

STANDARD: Wer ihn kennt, kann sich das gut vorstellen. Wie sieht es mit der Unabhängigkeit und der Causa Pelinka aus? Der SPÖ-Fraktionschef im Stiftungsrat sollte nahtlos Büroleiter von Alexander Wrabetz werden, die ORF-Journalisten haben dagegen protestiert und sich durchgesetzt.

Petzner: Ich habe Niko Pelinka als Einziger öffentlich verteidigt.

STANDARD: Weil?

Petzner: Wie man mit Niko Pelinka seitens des ORF und der Öffentlichkeit umgegangen ist, halte ich bis heute nicht für korrekt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass er sehr engagiert, sehr kompetent und korrekt den ORF mitgestaltet hat. Ich habe mit Niko Pelinka immer sehr gut zusammengearbeitet. Ihm wurde unrecht getan. Denn er ist zwar sehr jung, aber ein sehr talentierter Medienmensch. Er wird seinen Weg machen.

STANDARD: Das Bild war aber schon problematisch - dass der SPÖ-Fraktionsführer im Stiftungsrat und Mitorganisator der Wrabetz-Wiederwahl 2011 direkt ins Büro des ORF-Generaldirektors wechselt. Das stört Sie nicht?

Petzner: Ich habe nie die Erfahrung gemacht, dass er ein Exekutor der SPÖ-Zentrale im ORF war. Darum wäre der Job bei Wrabetz für mich auch okay gewesen. Er hätte ihn gut gemacht.

STANDARD: Also doch kein Parteieneinfluss auf den ORF?

Petzner: Was die Person Pelinka betrifft: nein. Der Einfluss der Parteien findet auf ganz anderer Ebene statt. Ich habe in der Politik schon viel erlebt, aber was immer um die Wahl des ORF-Generaldirektors herum abgelaufen ist, stellt vieles in den Schatten.

STANDARD: Inwiefern?

Petzner: Weil sich da am deutlichsten gezeigt hat, wie dreist und heftig die Politik tatsächlich in den ORF hineinregiert. Solange der ORF öffentlich-rechtlich ist und die Politik über einen Stiftungsrat, oder wie das Gremium immer heißt, die Möglichkeit hat, auf den ORF Einfluss auszuüben, so lange wird die Parteipolitik nicht nur mitreden, sondern entscheidend mitbestimmen. Da geht es dann wirklich zur Sache. Im Glauben, dass der ORF meinungsbildend ist. Die SPÖ glaubt ja bis heute, mit ORF und "Kronen Zeitung" Wahlen gewinnen zu können.

STANDARD: Ganz unwesentlich dürften diese zwei Medien aber nicht sein, oder?

Petzner: Das hat sich überholt. Der ORF hat dieses Informationsmonopol nicht mehr. Er verliert laufend Reichweite und Marktanteile. Medien insgesamt verlieren die Deutungshoheit über die Welt, sagt die Medienwissenschaft. Durch soziale Netzwerke, Youtube, Facebook, Twitter und so weiter, wird der Konsument selbst zum Medienmacher. Das verändert auch die Wirkung von Medien und das Rezeptionsverhalten. Darauf nehmen die alten Parteien viel zu wenig Rücksicht.

STANDARD: Sie twittern auffällig weniger, sagen Menschen, die das genauer beobachten.

Petzner: Gar nicht. Laut einer brandneuen Studie bin ich der Abgeordnete mit den meisten Tweets. Ich twittere ständig. Manchmal bin aber sogar ich still - aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Ich habe ja immer etwas zu sagen.

STANDARD: Die Parteien nehmen also die Wirkmacht des ORF zu ernst - bis hin zu den Grünen, die gerade besonders laut gegen Regierungslastigkeit protestieren.

Petzner: Dass sich gerade die aufregen, finde ich besonders lustig.

STANDARD: Weil?

Petzner: Die Grünen haben es unter allen Parteien am geschicktesten gemacht - sie haben den ORF von innen infiltriert, indem sie Redakteure sehr geschickt in Position gebracht haben. Die sind in Wahrheit die geschicktesten parteipolitischen Beeinflusser. Ich erinnere nur an den unsäglichen Pius Strobl. Der hat als Kommunikationschef geschaltet und gewaltet, wenn die Grünen etwas gebraucht haben.

STANDARD: Ist Strobl aber längst nicht mehr. Sie haben nicht angerufen?

Petzner: Mir hat ein ranghoher Redakteur des ORF Kärnten gesagt, ich wäre von allen der angenehmste Pressesprecher gewesen - weil ich nie mit plumpem Druck interveniert habe. Ich habe auch Jörg Haider gesagt: Wenn du einen Blödsinn machst, musst du aushalten, dass die Medien kritisch berichten, auch der ORF. Ich habe nie beim ORF angerufen und versucht, einen Bericht zu zensieren oder hineinzudrücken. Das möchte ich für mich in Anspruch nehmen.

STANDARD: Vielleicht wollte der Redakteur auch etwas.

Petzner: Nein - da war ich schon nichts mehr in Kärnten. Aber: Solange die Politik Einfluss nehmen kann, wird sie es tun.

STANDARD: Also privatisieren?

Petzner: Mittelfristig hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk überlebt. Es braucht keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr.

STANDARD: Zum Beispiel, um einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, mit Bildung, Kultur und so fort, den Private vielleicht nicht in der Form und dem Umfang liefern?

Petzner: Wenn ich mir ORF 1 ansehe, sehe ich keine Spur von einem Bildungsauftrag. Die USA haben keine öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in europäischer Form. Und trotzdem ist dort Obama Präsident und demokratisch gewählt. Unsinn also, wenn jemand behauptet, ohne öffentlich-rechtliche Sender fehlte der Demokratie etwas. Im Gegenteil: Der ORF und wie einseitig dort berichtet wird, wie es dort zugeht, wie aggressiv die Parteien Einfluss nehmen - das ist antidemokratischer als alles andere.

STANDARD: Was also tun mit einem Rundfunkunternehmen mit 33, 34 Prozent Marktanteil, meinen Sie? Verkaufen? Zusperren?

Petzner: Mir ist der Begriff Entstaatlichen lieber, denn Verkaufen hat seit Grasser und Co einen bitteren Beigeschmack. Man kann ORF 1 abstoßen, der schon jetzt wie ein Privatsender agiert, und den ORF auf den öffentlich-rechtlichen Kern reduzieren. Oder den ORF als Ganzes entstaatlichen. Langfristig ist das am sinnvollsten - ob ad hoc oder schrittweise, muss man sehen, was für den Steuerzahler am sinnvollsten ist.

STANDARD: Dann kaufen große internationale Medienkonzerne ORF-Programme auf Kosten österreichischer Identität, könnte man einwenden.

Petzner: Wenn ich mir ORF 1 und große Teile von ORF 2 ansehe, kann ich keine österreichische Identität erkennen. Das ist vielmehr eine US-amerikanische – mit all diesem importierten Serientrash. Aber ORF 3 - das ist klassisches öffentlich-rechtliches Fernsehen, wie es sein sollte.

STANDARD: Wenn Sie schon gegen Gebührenfunk sind, werden Sie vermutlich auch gegen Presseförderung eintreten.

Petzner: Alle Parteien wollen sich bei den Herausgebern einschleimen, wie sich bei der Enquete des Zeitungsverbandes gezeigt hat, der fünfmal mehr Presseförderung als heute fordert. Ich bleibe als Einziger dabei: keine Erhöhung. Die Nachfrage bestimmt Angebot und Preis. Ich will keine Medien beleidigen, aber mich erinnert die Diskussion an die verstaatlichte Industrie, die in den 1970ern nicht mehr wettbewerbsfähig war und bei der Bruno Kreisky versuchte, sie mit Milliarden zu retten. Hat das funktioniert? Nein. Privatisiert zählen sie heute zu den erfolgreichsten österreichischen Unternehmen.

STANDARD: Privat wären sie schon.

Petzner: Ich gebe zu, es ist wahnsinnig schwierig, in dieser Umwälzung der Medienlandschaft und der rasanten Entwicklung der Kommunikationstechnologie zu bestehen. Aber Steuergeld kann nicht die Lösung sein. Man kann die Presseförderung verfünfzigfachen oder verhundertfachen: Wer mit dem Trend Schritt halten kann und eine wirtschaftlich ertragreiche Symbiose von Internetangebot und Printangebot schafft, wird überleben, den Rest wird der Markt hinwegfegen. Da hilft auch Steuergeld nichts.

STANDARD: Ihre medienpolitische Empfehlung für die nächste Legislaturperiode?

Petzner: Das Urheberrecht im Internet ist eine wirklich wesentliche Frage. Der Gesetzgeber hat natürlich die Aufgabe, geistiges Eigentum zu schützen. Ich klaue zum Beispiel aus Prinzip keine Musik im Internet. (Harald Fidler, DER STANDARD, 22.8.2013, Langfassung)