Wien - Den rund 350 Ärzten, die Daten über die Medikamentenverschreibung für ihre Patienten an ein Marktforschungsunternehmen verkauft haben sollen, drohen nicht nur berufliche, sondern auch rechtliche Konsequenzen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft kündigte am Dienstag an, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen. Und die Datenschutzkommission prüft, ob die Ärzte eventuell gegen das Datenschutzgesetz verstoßen haben.

"Pflichtwidriges Amtsgeschäft"

Der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Erich Mayer, erklärte, seine Behörde prüfe, ob der Anfangsverdacht für ein Bestechungsdelikt erfüllt sei. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft untersuche, ob es sich bei den Ärzten um Amtsträger handelt und der Verkauf der Daten um 432 Euro pro Jahr ein "pflichtwidriges Amtsgeschäft" sei. Es werde nicht aufgrund einer Anzeige geprüft, sondern die Staatsanwaltschaft prüft auf Eigeninitiative, ob ein Anfangsverdacht in diese Richtung gegeben sei, erklärte Mayer.

Verstoß gegen Datenschutz möglich

Die Datenschutzkommission wiederum prüft, ob die Ärzte eventuell gegen das Datenschutzgesetz verstoßen haben, kündigte Eva Souhrada-Kirchmeyer, geschäftsführendes Mitglied der Kommission im Ö1-"Morgenjournal" an. Die Datenschutzkommission will Berichten nachgehen, wonach die an sich verschlüsselten Daten auf einzelne Patienten zurückgeführt werden könnten. Sollte tatsächlich gegen das Datenschutzgesetz verstoßen worden sein, dann könne die Kommission eine Empfehlung aussprechen, etwa über eine bessere Verschlüsselung oder dass Daten eben gar nicht weitergegeben werden. Allerdings sind dies letztlich zahnlose Maßnahmen. Denn derartige Empfehlungen der Datenschutzkommission sind rechtlich nicht durchsetzbar. 

IMS begrüßt Prüfung

Das Marktforschungsunternehmen IMS Health hat am Mittwoch die Ankündigung der Datenschutzkommission begrüßt, eine Prüfung einzuleiten, ob mit dem Kauf von Patientendaten von Ärzten das Datenschutzgesetz verletzt worden ist. "Wir sind zutiefst überzeugt, korrekt zu handeln und werden mit der Datenschutzkommission in vollem Umfang zusammenarbeiten", erklärte Erika Sander, Österreich-Verantwortliche von IMS in einer Aussendung. "Es ist auch in unserem Interesse, hier Klarheit zu schaffen."

IMS erhebe bei den kooperierenden Ärzten ausschließlich nicht personenbezogene Verschreibungsdaten, die bereits beim Arzt anonymisiert werden, erläuterte Sander. Diese fließen nur kumuliert in Auswertungen ein. Rückschlüsse auf Patienten seien für IMS dabei nicht möglich. "Für unsere Marktstudien und Analysen benötigen wir keine personenbezogenen Daten", betonte Sander. Die "ausschließlich anonymisierte Daten" dienten Analysen, "die für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und für die Entscheidungsfindung von großer Bedeutung sein können".

Ärztekammer zeigt Firmen an

Auch die Wiener Ärztekammer hat eine Anzeige angekündigt und zwar gegen die Firmen, die Patientendaten verkauft haben. Präsident Thomas Szekeres und Vizepräsident Johannes Steinhart haben am Mittwoch ein Anzeige gegen die IMS Health Marktforschungs GmbH und die Arztsoftware-Firma CompuGroup Österreich GmbH angekündigt.

Die Wiener Ärztekammer vermutet einen gravierenden Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, weil sowohl CompuGroup als auch IMS Health offensichtlich Gesundheitsdaten zu kommerziellen Zwecken genutzt und an Dritte weitergegeben hätten. Die Ärztekammer ersucht daher die Staatsanwaltschaft um rechtliche Überprüfung des Sachverhaltes.

Kammer will Namen der Ärzte

Außerdem fordern Szekeres und Steinhart in einem Schreiben an beide Unternehmen die Herausgabe der Namen aller Wiener Ärztinnen und Ärzte, die Verordnungs- und Diagnostikdaten von Patientinnen und Patienten weitergegeben haben. Die Wiener Ärztekammerspitze will auch Auskunft darüber, in welcher Form die Daten von den Ärzten an die beiden Firmen weitergegeben wurden, ob es technische Möglichkeiten gibt, auf die Patientenidentität Rückschlüsse zu ziehen und ob eine Zustimmung der betroffenen Patienten vorliegt.

Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen will die Wiener Ärztekammer beim Disziplinaranwalt beziehungsweise dem Ehrenrat der Österreichischen Ärztekammer anzeigen. Ärztinnen und Ärzte, die rechtswidrig personenbezogene Daten weitergegeben haben, müssten außerdem mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft rechnen.

Rundschreiben angekündigt

Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Artur Wechselberger, kündigte indes im Ö1-"Mittagsjournal" ein Rundschreiben an alle Ärzte an. Darin werde man die Mediziner auffordern, Verträge mit Marktforschungsfirmen nicht mehr zu bedienen.

Verpflichtend wäre eine solche Empfehlung aber nur dann, wenn es eine Verordnung der österreichischen Ärztekammer wäre, so Wechselberger. Ob man eine solche ausgeben werde, sei derzeit noch unklar, denn ob die Weitergabe von Verschreibungsdaten nun legal sei oder nicht, müsse erst geprüft werden. Entscheidend sei die Frage, inwieweit die Daten tatsächlich anonymisiert worden seien.

Laut "Presse" haben auch zahlreiche Spitäler Daten an IMS geliefert. Die Österreich-Zentrale des US-Konzerns habe dafür jährlich 1700 Euro pro Spital überwiesen sowie Infos zum Medikamentenverbrauch anderer Spitäler zur Verfügung gestellt.  (APA, 21.8.2013)