Bund und Stadt stimmen sich bei Verfahrensabläufen zu wenig ab, kritisiert der Rechnungshof. Das führt zur Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung.

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Wien - Der Rechnungshof hat in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern untersucht - nämlich am Beispiel des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) (siehe PDF links). Ergebnis: Sie funktioniert in so gut wie allen Bereichen ausgesprochen schlecht. Das größte heimische Spital leidet offenbar massiv an seiner komplexen Struktur. Die Aufgabenverteilung zwischen der Stadt und dem Bund sei nicht klar geregelt, kritisiert der Rechnungshof, die Finanzierung intransparent, die Kosten hoch.

Größte Krankenanstalt

Das AKH ist mit rund 2.200 Betten, beachtlichen vier Milliarden Errichtungskosten und knapp 1,2 Milliarden Euro laufender Kosten die größte österreichische Krankenanstalt. Doch es ist nicht die Größe allein, die dem Haus am Gürtel zu schaffen macht. Denn für die Krankenversorgung ist die Stadt zuständig, für die Medizinische Universität der Bund. Letztere stellt auch das ärztliche Personal im AKH. "Trotz mehr als 25 Jahre andauernder Bemühungen gelang keine gemeinsame Betriebsführung", konstatiert der Rechnungshof.

Einen gemeinsamen Leistungsauftrag, eine abgestimmte Gesamtfinanzierung und eine gemeinsame Personalplanung gibt es nicht. Das alles ist auch in der 2005 abgeschlossenen Vereinbarung (über die finanziellen Rahmenbedingungen, Anm.) zwischen Bund und Wien nicht enthalten. Was laut den Prüfern eine Vielzahl von Problemen zur Folge hat: Die vielen Verfahrensabläufe, die nicht zwischen den Rechtsträgern abgestimmt waren, beeinflussen die medizinische Versorgung.

Unklarheit über Leistungen

Das führte zum Beispiel zu vergleichsweise häufigen Bettensperren und damit zu hohen Kosten. Zwischen 2005 und 2011 standen 250 bis 330 der genehmigten Betten nicht zur Verfügung. Eine Strategie gegen diese hohe Anzahl gebe es nicht, wurde kritisiert. Der Rechnungshof empfahl sogar, das jüngste Spitalskonzept bzw. die darin vorgesehene Neuerrichtung von Betten in anderen Spitälern zu überarbeiten. Es habe keine Berechnung gegeben, ob man nicht freie Betten im AKH nutzen könnte.

Völlig unterschiedlich auch die Interessen: Die Stadt ist, wie der Rechnungshof hervorhebt, für die Versorgung der Bevölkerung zuständig, die Universität vor allem für Lehre und Forschung. Sie muss aber auch die im AKH benötigten Ärzte beschäftigen. Damit trägt die Uni nach Ansicht der Prüfer das Risiko, dass die Stadt Leistungen in das AKH verlagert, für die dann Mediziner zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Stadt trage hingegen das Risiko, dass die Leistungen nicht nach Versorgungsgesichtspunkten, sondern nach akademischen Kriterien erbracht werden: "In der Folge kam es daher immer wieder zu Auseinandersetzungen über die im AKH zu erbringenden Leistungen."

"Wenig transparente" Mittelaufbringung

Wesentliche Steuerungsprozesse wurden ohne den jeweiligen Partner durchgeführt: Die Gesundheitsplanung (Regionaler Strukturplan Gesundheit, Anm.) habe die Medizinische Universität nicht einbezogen, die Leistungsvereinbarung der Medizinischen Universität Wien mit dem Wissenschaftsministerium nicht die Stadt. Auch die Budgetierungs- und Zielvereinbarungsprozesse wurden nicht abgestimmt.

Apropos Budget: Die Mittelaufbringung war laut Bericht bisher "komplex und wenig transparent", das Verhältnis Aufgaben und Ausgaben stimmt zudem nicht überein. Der Rechnungshof ermittelte, dass 2010 von den Gesamtkosten von 1,168 Milliarden Euro der Bund 33 Prozent, die Stadt 35 Prozent, die Sozialversicherungsträger 26 Prozent trugen (der Rest entfällt auf Private, Anm.). Die Stadt entscheidet jedoch über den gesamten laufenden Sachaufwand, hat ein Vorschlagsrecht für mehr als 80 Prozent der Investitionen und ist Dienstgeber für mehr als 70 Prozent des Personals. Sie trägt als Krankenanstaltenträger aber auch die alleinige Haftung für allfällige Behandlungsfehler.

"Insgesamt war die Mittelaufbringung für das AKH komplex und wenig transparent. Sie setzte problematische Anreize und führte zu andauernden Auseinandersetzungen zwischen Bund und Stadt Wien über den klinischen Mehraufwand (die Abgeltung des Bundes an die Stadt für den durch Lehre und Forschung verursachten Mehraufwand, Anm.). Die Kosten des AKH lagen bezogen auf die stationären Leistungen 30 bis 60 Prozent über jenen von Vergleichskrankenanstalten", bemängelte der Rechnungshof. Und er warnte davor, dass in Zukunft weniger Mittel zur Verfügung stehen werden.

Gemeinsame Betriebsführung notwendig

Überaus komplex gestaltet sich schließlich auch die Personalplanung. Der Bereich ist dank der unterschiedlichen Zuständigkeiten zersplittert. Gemeinsame Bemühungen, hier etwas zu ändern, gab es offenbar nicht: "Eine gemeinsame Personalbewirtschaftung zwischen Medizinischer Universität Wien und Stadt Wien fand nicht statt. Eine gemeinsame Datenerfassung fehlte." Die Fach- und Dienstaufsicht über die Ärzte ist ebenfalls getrennt.

Dass die Zukunftsaussichten besonders rosig sind, vermutete der Rechnungshof zunächst nicht. Zwar beauftragten der Bund und die Stadt vor einem Jahr die Universität bzw. das AKH mit der Erarbeitung eines Modells zur langfristigen Zusammenarbeit, eine Veränderung der Struktur war darin jedoch nicht als Ziel formuliert. Auch die Finanzierungsanteile sollten nicht besprochen werden. "Die Aussparung dieser Themen lief einer umfassenden Zielerreichung des Projekts zuwider", befand der Rechnungshof. Das könnte sich jedoch ändern: Stadt, Universität und Bund versprachen, die Empfehlungen des Rechnungshofs in künftige gemeinsame Überlegungen einfließen zu lassen.

Die Frage, ob eine gemeinsame Betriebsführungsgesellschaft eine Lösung wäre, will der Rechnungshof nicht entscheiden. Die Beurteilung der optimalen Rechtsform sei ihm nicht möglich, es gebe jedoch für die "politische Willensbildung" einen großen Spielraum für die Ausgestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit, hieß es. Dass eine gemeinsame Betriebsführung nötig sei, davon zeigten sich die Prüfer jedoch überzeugt.

Töchterle: "Klinischer Mehraufwand muss neu geregelt werden"

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sagte dem STANDARD, viele Kritikpunkte des RH-Berichts würden bereits in der Arbeitsgruppe "Universitätsmedizin AKH 2020" behandelt werden. "Der klinische Mehraufwand muss neu geregelt werden." Von 2013 bis 2015 stelle das Ministerium der Med-Uni Wien 950 Millionen Euro zur Verfügung, das sei eine überdurchschnittliche Budgetsteigerung von fast 16 Prozent. (APA/simo, DER STANDARD, 20.8.2013)