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Es gäbe genug zu diskutieren im Wahlkampf.

Foto: AP/Breloer

Es gab Zeiten, da war Angela Merkel häufiger auf Krisensitzungen in Brüssel anzutreffen als in ihrem Berliner Kanzleramt. Sichtlich physisch erschöpft bestieg sie  regelmäßig ihren Regierungsjet, um nach der Rückkehr aus Brüssel einem Mantra gleich zu verkünden, warum sie sich diesem Stress antue. „Scheitert der Euro, scheitert Europa", hieß es ein ums andere Mal.

Noch vor einem Jahr waren politische Beobachter überzeugt: Dieser Bundestagswahlkampf wird ebenfalls von der Euro-Rettung dominiert. Zwar sind sich sowohl CDU/CSU als auch SPD einig, dass der Euro als Gemeinschaftswährung erhalten werden müsse. Doch während die Union auf einen strikten Sparkurs der Euro-Staaten plädiert, kann sich die SPD im Notfall mit der Vergemeinschaftung der Schulden via Euro-Bonds anfreunden. Allerdings müssen sich die Staaten, die so unterstützt werden, einer strikten Haushaltskontrolle unterwerfen.

Es gäbe also genug zu diskutieren im Wahlkampf. Doch da passiert – nichts.

Das Euro-Thema, vor gar nicht allzu langer Zeit noch Top-Thema der deutschen Politik, ist gar keines mehr. Viel lieber spricht die Kanzlerin darüber, dass Deutschland gut durch die Krise gekommen sei und wirtschaftlich deutlich besser dastehe als andere Euro-Staaten. Die Steuereinnahmen sprudeln, Deutschland kommt dank seiner Bonität an billiges Geld. Gut ins Wohlfühl-Programm passen da die jüngsten Konjunkturdaten der Euro-Zone.

Gar nicht gern nimmt Merkel im Wahlkampf das Wort „Griechenland" in den Mund. Zwar wird natürlich auch in Berlin über einen möglichen weiteren Schuldenschnitt gesprochen, aber nur hinter vorgehaltener Hand. Auf keinen Fall sollen die Wählerinnen und Wähler vor der Wahl am 22. September irgendwie darauf hingewiesen werden, dass Griechenland weitere Finanzhilfen brauchen könnte.

Beim Thema Griechenland sind sich Merkel und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück so einig, als gäbe es schon wieder eine große Koalition in Deutschland. Zu einem etwaigen Schuldenschnitt meint Merkel: „Ich wundere mich auch immer wieder, mit welcher Sorglosigkeit darüber gesprochen wird. So ein Schritt könnte eine Verunsicherung in anderen Teilen Europas auslösen." Sie will, wie mit den Euro-Ländern vereinbart, die Lage Griechenlands Ende 2014 oder Anfang 2015 neu bewerten, „statt jetzt schon wieder täglich zu spekulieren".

Und Steinbrück erklärt, bei einem Schuldenschnitt würden private Gläubiger Athens einen Teil ihres Geldes verlieren: „Die Folge wäre, dass es eine sehr starke Zurückhaltung geben würde, überhaupt noch in Staatsanleihen zu investieren." Andererseits – er ist schließlich Opposition – will Steinbrück von Merkel wissen: „Braucht Griechenland ein neues Hilfsprogramm? Wird sie zulassen, dass Banken direkt Geld europäischer Steuerzahler erhalten?"

Doch eigentlich möchte auch Steinbrück nicht gerne über dieses Thema sprechen. Denn wenn immer die Rede auf die Euro-Krise kommt, schweben die Beschlüsse des Bundestags über Steinbrücks Kritik. Die SPD hat sie allesamt mitgetragen, dabei drei Mal die fehlende Kanzlermehrheit für Merkel ausgeglichen und tut sich somit mit Frontalkritik ziemlich schwer. Merkel hat die Unterstützung der SPD im Bundestag in einer Regierungserklärung einmal auch ausdrücklich gelobt und erklärt: „Dafür möchte ich einfach mal Danke sagen." Erfreut war die SPD darüber nicht. Großzügigkeit vom Gegner ist im politischen Wertesystem schließlich eine der schlimmsten Demütigungen. (derStandard.at, 19.8.2013)