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Rund 350 heimische Ärzte liefern monatlich angeblich verschlüsselte Patientendaten an ein Marktforschungsunternehmen.

Foto: AP/MATTHIAS RIETSCHEL

Alpbach/Wien – Nachdem bekannt wurde, dass auch österreichische Ärzte die geheimen Daten ihrer Patienten anonymisiert an Marktforschungsunternehmen weitergegeben haben, droht der Hauptverband der Sozialversicherungen den Vertragsärzten. Der Präsident des Hauptverbandes, Hans Jörg Schelling, hält die Vorgangsweise der Ärzte für "bedenklich", berichtet das Ö1-Mittagsjournal.

Das Marktforschungsunternehmen solle offenlegen, welche Ärzte die Daten verkauft haben. Falls Kassenärzte betroffen sind, sei auch eine Kündigung ihres Kassenvertrages denkbar, sagte Schelling, der aber auch anmerkte, dass solche Verträge kaum kündbar sind.

Stöger: "Kammer muss für Aufklärung sorgen"

Die Nachrichten vom Verkauf sensibler Patientendaten an Marktforschungsunternehmen hat Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) am Montag in Alpbach erreicht. Im Gespräch mit dem Standard nimmt er diesbezüglich die ärztliche Standesvertretung in die Pflicht: "Die Ärztekammer muss dafür sorgen, dass die ärztliche Schweigepflicht eingehalten wird." Ohne ausdrückliche Zustimmung der Patienten sei die Datenweitergabe nämlich nicht erlaubt. Also spielt der Minister den Ball weiter: "Die Ärztekammer muss für lückenlose Aufklärung sorgen."

Die freilich zeigt sich ganz überrascht, dass solch – laut ÄK-Vizepräsident Karl Forstner – "ethisch bedenklichen" Praktiken hierzulande möglich sind.

Arzt des Vertrauens

Worum es im Detail geht: Rund 350 heimische Ärzte liefern monatlich angeblich verschlüsselte Patientendaten an das Marktforschungsunternehmen IMS Health. Rückschlüsse auf einzelne Patienten sind laut dem Unternehmen "absolut nicht" möglich. Die Datensammlerei beinhaltet laut einer Vertragsvereinbarung zwischen dem Unternehmen und den betroffenen Ärzten aus dem Jahr 2012, die dem Standard vorliegt unter anderem folgende Bereiche: Geschlecht und Geburtsjahr des Patienten, die Krankenscheinart, aber auch sämtliche Diagnosen, Verordnungen oder Laborwerte. Zudem wandern mittels Tastendruck Informationen über Therapiewechsel oder Erläuterungen über einen Therapieabbruch zu IMS. Der Arzt erhält dafür 30 Euro pro Monat, abgerechnet wird "über das für den Arzt zuständige Softwarehaus".

Klare Meinung

Die Ärztekammer will jetzt laut Forstner eruieren, inwieweit das rechtskonform ist, nicht ohne sich als Vertreterin von Patienteninteressen zu gerieren: "Patienten sollen das bekommen, was sie brauchen, und nicht, was die Pharmaindustrie allenfalls wünscht", sagt Kammer-Vize Forstner.

Datenschützer Hans Zeger von der Arge Daten nimmt ihm diese Entschlossenheit nicht ganz ab: Bereits vor mehr als einem Jahr habe sich die Ärztekammer diesbezüglich an ihn gewandt. Sie wisse jedenfalls "darüber" Bescheid. Und Zeger hatte damals wie heute eine ganz klare Meinung über die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise mancher Ärzte: "Der Arzt würde jedenfalls die Zustimmung des Patienten brauchen. Und zwar schon um die Daten überhaupt zu selektieren." Datenmissbrauch besteht laut Zeger also bereits beim Sammeln derselben für nicht medizinische Zwecke. Ein Arzt dürfe die Daten seiner Patienten lediglich für Therapiezwecke, für Abrechnungszwecke oder für die eigene Forschung verwenden.

"Wenn's ums Geldmachen geht"

Bereits 2012 war ein Datensammelaufruf des Ordinationssoftwareunternehmens CompuGroup bekannt geworden. Die Ärztekammer wollte damals die Sache an die Datenschutzkommission weiterleiten, was laut Patientenanwalt Gerald Bachinger nie erfolgt sein soll. Und er erinnert an die Blüte der Debatte um die elektronische Gesundheitsakte Elga, als sich die Ärztekammer "als Hüterin der Patientendaten" positioniert habe. Bachinger: "Wenn's ums Geldmachen geht, gilt das anscheinend alles nicht mehr."

Elga ist auch Minister Stöger in all dem Datenmoloch ein Anliegen: Die würde nämlich den Patienten "mehr Sicherheit" bringen, da künftig jeder Zugriff dort dokumentiert wird.

Der Vorsitzende des Datenschutzrates, SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier, fordert bereits rechtliche Konsequenzen: "Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, müssen die Staatsanwaltschaften aktiv werden." IMS Health lässt im Gespräch mit dem Standard keine Zweifel an derartigen Praktiken aufkommen und ja, selbstverständlich habe man im Vorfeld auch die Ärztekammer über dieses Geschäftsfeld informiert. (Petra Stuiber, Karin Riss, DER STANDARD, 20.8.2013)