Wien - Fast 40 Prozent der Klein- und Mittelunternehmer mit bis zu 50 Mitarbeitern in Wien haben einen Migrationshintergrund. Doch deren Situation ist teils prekär, denn: 72 Prozent müssen mit einem Einkommen von höchstens 10.000 Euro pro Jahr auskommen. Dies geht aus einer von der Wirtschaftsagentur in Auftrag gegeben Studie zu "Ethnischen Ökonomien" hervor, die am Montag präsentiert wurde. Die Analyse basiert auf Sozialversicherungsdaten.

In der vergangenen 30 Jahre hat sich die Zahl der selbstständigen Unternehmer mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft in Wien mehr als verdreifacht. 2011 waren insgesamt 26.200 Personen mit Migrationshintergrund selbstständig tätig - meist in der Gastronomie, im Handel oder in der Baubranche. Sie erwirtschafteten eine Wertschöpfung von 640 Mio. Euro, berichtete Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ).

Ein-Personen-Unternehmen dominieren

81,5 Prozent der Betriebe waren laut Studie Ein-Personen-Unternehmen. Fast die Hälfte (46,6 Prozent) der Unternehmer verfügte über Matura, einen gleichwertigen oder einen höheren Abschluss. Die Mehrheit der Gewerbetreibenden war im Analysezeitraum zwischen 24 und 44 Jahre alt. Zum Vergleich: Die Mehrheit der Unternehmer ohne Migrationshintergrund ist laut Brauner über 45 Jahre alt.

Der Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur, Gerhard Hirczi, beschrieb die migrantischen Unternehmer als "im positiven Sinn" risikobereit, nämlich mutig und gründungsbereit. Ihre "Nachteile" lägen in den Sprachkenntnissen, in einer schwächeren Eigenkapitalausstattung oder auch in den Kenntnissen um kulturelle Codes, die von Nation zu Nation verschieden seien.

Mehr als 130 Nationen

Die Unternehmer mit Migrationsbezug stammten laut Studie, die vom Forschungsinstitut Synthesis erstellt wurde, aus mehr als 130 Nationen - allen voran aus der Slowakei, Polen und "Ex-Jugoslawien". Gesamt betrachtet kamen rund 60 Prozent aus der Europäischen Union. Ermittelt wurde auch, in welchen Bezirken Wiens die meisten Gründungen migrantischer Unternehmen erfolgten: Dabei handelte es sich um Favoriten, Ottakring, Rudolfsheim-Fünfhaus, Neubau und Leopoldstadt.

Was die finanzielle Seite betrifft: In der Studie wurden nur jene Unternehmer berücksichtigt, die "dominant selbstständig" sind - also von ihrem Unternehmen leben können. Jedoch müssen viele mit wenig auskommen. 72 Prozent erwirtschafteten nämlich ein Jahreseinkommen von höchstens 10.000 Euro.

"Dequalifikation"

Dies erklärte Brauner u.a. damit, dass das Phänomen der "Dequalifikation" nicht nur bei unselbstständig tätigen Zuwanderern, sondern auch bei Unternehmern zu beobachten sei. Das heißt, dass viele nicht ihrer Qualifikation entsprechend arbeiten könnten, weil sie keinen Job fänden, verwies sie auf das Paradebeispiel des "Universitätsprofessors, der Taxi fährt". Ein weiterer Grund seien fehlende Sprachkenntnisse.

Ziel der Stadt ist es, dass migrantische Unternehmer ihre beruflichen Chancen ihrer Ausbildung entsprechend besser nutzen. Dabei verwies Brauner auf eine im Frühjahr eingeführte Richtlinie des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF), wonach nun auch Unternehmer mit weniger als zehn Mitarbeitern um Unterstützung bei der Fortbildung ansuchen können.

Seit 2008 gibt es mit "Mingo Migrant Enterprises" eine eigene Servicestelle für migrantische Unternehmer. Zum Beispiel eine kostenlose Beratung in 14 Sprachen. Im Vorjahr wurden mehr als 220 Personen aus mehr als 50 Nationen informiert. (APA, red, 19.8.2013)