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Demonstrant mit Porträt Morsis. Nach der Absetzung des ehemaligen Präsidenten und der anschließenden Eskalation der Gewalt könnte die EU ihre Finanzhilfen einstellen.

Foto: REUTERS/Youssef Boudlal

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Grafik: APA

Kairo/Brüssel - Die Europäische Union hat am Montag Beratungen über eine Reaktion auf die jüngste Eskalation im Ägypten-Konflikt aufgenommen. Die Botschafter der 28 EU-Staaten kamen am Vormittag in Brüssel zu einer Sondersitzung des "Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees" (PSK) zusammen. Dabei wurde vereinbart, dass die EU-Außenminister am Mittwoch zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammenkommen sollen, verlautete aus Ratskreisen.

Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst, da diese den Außenministerin vorbehalten seien, hieß es. In Diskussion ist das Einfrieren von Finanzhilfen der EU und ein Stopp von Waffenlieferungen aus den EU-Staaten nach Ägypten. Die Minister sollten außerdem die Gewalt in Ägypten verurteilen. Der Auswärtige Dienst der EU wurde von den Botschaftern beauftragt, für das Sondertreffen der Minister ein Papier vorzubereiten.

Der EU-Sondergesandte für die südliche Mittelmeerregion, Bernardino Leon, wollte nach den Botschafterberatungen vor die Presse treten. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionschef Jose Manuel Barroso hatten die Konfliktparteien am Sonntag in einem gemeinsamen Appell zur Zurückhaltung aufgefordert und eien "Überprüfung" der Beziehungen zu Ägypten angekündigt.

Fünf Milliarden Euro Hilfe bis 2014 geplant

Im November 2012 gab die Europäische Union im Rahmen der EU-Ägypten-Task-Force in Kairo eine Finanzzusage von fünf Milliarden Euro bis 2014, wobei der größte Teil - jeweils 2 Milliarden Euro - auf Kredite der Europäischen Investitionsbank und Europäischen Bank (EIB) für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) entfallen sollte.

Damit wollte die EU den Übergang zur Demokratie nach dem Sturz des Regimes von Ex-Präsident Hosni Mubarak in Ägypten unterstützen. Die neuen Mittel sollten zusätzlich zu den 449 Millionen Euro fließen, welche die EU bereits im Rahmen ihrer EU-Nachbarschaftspolitik für Ägypten für die Jahre 2011 bis 2013 zugeteilt hat.

Von 2007 bis 2010 finanzierte die EU Projekte aus der Nachbarschaftshilfe in Höhe von 578 Millionen Euro in Ägypten. Davor flossen von 2000 bis 2006 nur etwa 178 Millionen Euro aus dem Programm für die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft (MEDA) nach Ägypten.

Bedingungen für Gelder nicht erfüllt

Der Auswärtige Dienst der EU betont, dass Ägypten die Bedingungen für die neue Finanzzusage in Höhe von 5 Milliarden Euro bisher nicht erfüllt. Es gebe auch noch keinen konkreten Zeitrahmen für die Auszahlung der Hilfen. Nach dem Beschluss vom November sollten EIB und EBRD jeweils eine Milliarde Euro jährlich an Krediten geben, der Rest der neuen Finanzzusagen würde sich aus diversen EU-Programmen zusammensetzen.

So sind konkret 90 Millionen Euro aus dem EU-Budget von dem "Spring"-Programm der EU vorgesehen, mit dem der arabische Frühling unterstützt wird. Die Gelder sind noch bis Ende 2013 verfügbar. Erfüllt Ägypten bis dahin die Bedingungen nicht, verfallen sie. Zusätzlich zu den Krediten der beiden Banken sollte Ägypten auch Zuschüsse in Höhe von 303 Millionen Euro und Kredite in Höhe von 450 Millionen Euro für ein aus dem EU-Budget finanziertes wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm erhalten.

Budgethilfen an Reformen gekoppelt

Die EU hat nach Angaben des Auswärtigen Dienstes seit 2012 keine neuen direkten Budgethilfen mehr an Ägypten geleistet, weil sich das Reformtempo verlangsamt habe und die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Regierungen in Ägypten nicht klar gewesen seien. Die Budgethilfen sind gekoppelt an Reformen, welche der Bevölkerung zugutekommen sollen, in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Wasserversorgung.

Die auf Eis liegenden Budgethilfen werden von der EU mit 200 Millionen Euro beziffert. Die Gelder seien auch wegen fehlender Fortschritte in den Verhandlungen zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und Ägypten nicht geflossen, betont der Auswärtige Dienst in Brüssel. Sollte Ägypten die Bedingungen erfüllen, könnten die Hilfen 2014 oder später wieder auf den Tisch kommen. 

Italien will Waffenexporte stoppen

Mehrere EU-Staaten haben bereits Finanzhilfen für staatliche Entwicklungsprojekte auf Eis gelegt. Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel teilte am Montag in einem Radiointerview mit, dass es heuer kein Geld mehr für Kairo geben werde. Italien hat angeregt, keinerlei Waffen mehr aus der EU nach Ägypten zu liefern. Die EU-Staaten genehmigten nach offiziellen Angaben im Jahr 2011 den Export von Waffen und Militärgütern im Wert von 303 Millionen Euro nach Ägypten.

Laut dem letzten offiziellen EU-Bericht aus dem Jahr 2011 entfällt der größte Teil auf Flugzeuge (102 Millionen Euro), die vor allem von Spanien und Frankreich geliefert werden. Beim zweitgrößten Posten der Fahrzeuge (65 Millionen) hat vor allem Deutschland geliefert. Österreich wird mit Exporten in Höhe von 125.000 Euro angeführt. Im gleichen Jahr wurde von Amnesty International ein Bericht veröffentlicht, demzufolge Österreich Kleinwaffen in Höhe von 451.000 Euro an Ägypten geliefert hat.

Die deutsche Bundesregierung hat in dieser Hinsicht bereits reagiert und stellt die Militärkooperation mit Ägypten auf den Prüfstand. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte am Montag in Berlin, die Entscheidung über eine Fortsetzung werde innerhalb der Regierung und mit den europäischen Partnern abgestimmt. Derzeit werden vier ägyptische Soldaten in Deutschland für Sanitätsdienst, Generalstab und Truppendienst ausgebildet. Die Genehmigung von Rüstungsexporten nach Ägypten hatte die Bundesregierung bereits vor der Gewalteskalation in der vergangenen Woche gestoppt. Im ersten Halbjahr hatte sie aber noch grünes Licht für Waffenlieferungen im Wert von 13 Millionen Euro gegeben. 

Ägyptische Führung will Kurs beibehalten

Die ägyptische Führung zeigte sich unbeeindruckt von Maßnahmen im Finanzbereich. Außenminister Nabil Fahmi betonte am Sonntag in Kairo, die Regierung werde sich auch durch die Streichung von Entwicklungshilfeprojekten nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. "Wir lehnen alle Drohungen, Hilfen zu streichen, ab." 

Saudis springen ein

Saudi-Arabien hat angekündigt, mögliche Kürzungen der westlichen Finanzhilfen an Ägypten ausgleichen zu wollen. Das erklärte der saudi-arabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal am Montag.

Jene, die angekündigt hätten, ihre finanzielle Hilfe für Ägypten zu stoppen oder damit drohten, müssten realisieren, dass Saudi-Arabien - mit den Mitteln, die dem Land zur Verfügung stehen - nicht zögern werde, um Ägypten zu helfen, so Al-Faisal. (APA/red, 19.8.2013)