Im Jahr 2011 haben nur 50 Prozent derjenigen, die laut Berechnungen der Armutskonferenz Anspruch auf Mindestsicherung haben, diese auch ausbezahlt bekommen. Laut den Zahlen der Armutskonferenz, die sie am Montag veröffentlicht hat, gibt es vor allem Unterschiede zwischen Stadt und Land. In Kärnten erhalten etwa nur 20 Prozent der Betroffenen eine Mindestsicherung, in Oberösterreich nur 24 Prozent. In Wien hingegen bekommen 77 Prozent ihre Mindestsicherung auch ausbezahlt.

390.000 Personen betroffen

Anspruch auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung hat in Österreich jeder, dessen Vermögen unter 3.974 Euro liegt. Ausgenommen von der Vermögensberechnung ist die Eigentumswohnung, die als Hauptwohnsitz genutzt wird. Laut Statistik Austria waren davon 2011 390.000 Personen betroffen, nur davon 193.276 haben Mindestsicherung bezogen, so die Berechnungen der Armutskonferenz. Schenk schränkt allerdings ein, dass nicht alle 390.000 Personen unter der Vermögensgrenze auch tatsächlich anspruchsberechtigt sind - etwa Migranten ohne Daueraufenthaltsrecht. Trotzdem habe er "sehr konservativ gerechnet", sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

Willkür am Amt

Die Armutskonferenz sieht verschiedene Gründe dafür, warum Menschen keine Mindestsicherung bekommen, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Viele stellten aus Scham keinen Antrag, gerade in kleinen Gemeinden, wo jeder jeden kennt, so Martin Schenk von der Armutskonferenz im Ö1-Morgenjournal. Manche wüssten über die Regelungen nicht Bescheid. Aber auch Willkür der zuständigen Ämter sei schuld daran. "Betroffene erzählen uns oft, dass sie die Mindestsicherung in einem Amt bekommen und im anderen nicht, dazwischen ist manchmal nur eine Bezirksgrenze", sagt Schenk.

Die Behörden weisen den Vorwurf der Willkür zurück. In Ober- und Niederösterreich heißt es aus den Sozialabteilungen dazu im Ö1-Morgenjournal, dass es klare Vorgaben für alle Behörden gebe und diese seien in allen Bezirken gleich.

795 Euro im Monat

Die Mindestsicherung wurde vor drei Jahren geschaffen, um die Sozialhilfe zu reformieren. Sie ist in ganz Österreich gleich, 2011 lag sie bei 753 Euro im Monat für Alleinstehende. Für 2012 und 2013 gibt es noch keine aktuellen Zahlen dazu, wie viele Österreicher die Mindestsicherung bezogen haben. Die Höhe liegt derzeit bei 795 Euro.

Hundstorfer: Mehr Information nötig

Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sind zwei Gründe ausschlaggebend dafür, dass die Mindestsicherung in Wien stärker in Anspruch genommen wird als in den Bundesländern. Wie er auf Anfrage am Rande des Forum Alpbach ausführte, gebe es in Wien offenbar eine bessere Information bezüglich der Anspruchsberechtigung. Zudem verfügten in den Ländern mehr Personen, über Wohneigentum und scheuten sich, Mindestsicherung zu beantragen, da sich bei längerem Bezug die öffentlichen Stellen ins Grundbuch eintragen könnten. Auch sei es in kleineren Gemeinden oft unangenehmer, einen entsprechenden Antrag zu stellen, da man sich dort besser kenne.

Der Sozialminister ist jedenfalls bestrebt, dass jene, die die Mindestsicherung gemäß den gesetzlichen Voraussetzungen beziehen könnten, dies auch tun. Funktionieren könne dies nur über bessere Information, etwa dass die potenziellen Bezieher etwa vom AMS darauf hingewiesen werden, dass eine Aufstockung ihrer Bezüge auf Mindestsicherungsniveau möglich sei. 

Landau will Evaulierung

Der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau plädiert für eine Evaluierung der Mindestsicherung. Angesicht der Entwicklung, dass rund die Hälfte der Berechtigten die Leistung nicht in Anspruch nehmen, werde man sich genau ansehen müssen, ob eine Überprüfung nicht dringend notwendig sei, sagte Landau am Montag in einer Aussendung.

Der Caritas-Direktor warnte davor, Menschen, die Mindestsicherung beziehen, zu stigmatisieren und für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen. "Wenn die Parteien Wahlkampf auf dem Rücken der Schwächsten machen - so wie zuletzt vor wenigen Wochen - ist das beschämend. Außerdem führt eine solche Polemik nur dazu, dass die nicht gerechtfertigte Scham dieser Menschen weiter zunimmt. Mit einer Neiddebatte kommen wir nicht weiter." (red, derStandard.at/APA, 19.8.2013)