Aus den elektronenmikroskopischen Einzelbildern (oben) von Gemmata obscuriglobus erstellten die Forscher ein dreidimensionales Modell des Bakteriums (unten).

Foto: PLoS Biology/Damien Devos et al.
Foto: PLoS Biology/Damien Devos et al.

Einem Forscherteam von der Universität Heidelberg und dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) ist es gelungen, den Aufbau eines Bakteriums detailliert dreidimensional zu rekonstruieren. Die Untersuchungen zeigten, dass bestimmte Bakterien Membranstrukturen ausbilden können, die an Komplexität und Dynamik denen von Eukaryoten ähnlich sind. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal "PloS Biology" veröffentlicht.

"Seit den Anfängen der Mikroskopie werden die Zellen von Lebewesen nach zwei Kategorien unterschieden", erklärt Damien Devos, der am Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg forscht. Danach "verpacken" Eukaryoten ihr Genmaterial in einem durch eine Membran abgeschlossenen Bereich, dem Kern. Prokaryoten dagegen, zu denen auch Bakterien zählen, verfügen über keinen derartigen Zellkern. Bereits vor einigen Jahren legten Untersuchungen mit neuartigen Möglichkeiten der zweidimensionalen Bildgebung nahe, dass das Genmaterial des Bakteriums Gemmata obscuriglobus von einer doppelten Membran umgeben zu sein scheint – neben anderen Besonderheiten der Membranorganisation war dies eine Erkenntnis, die die Unterscheidung von Prokaryoten und Eukaryoten ins Wanken brachte.

In Scheiben geschnitten

"Die Möglichkeit, dass ein Bakterium eine dem Zellkern ähnelnde Struktur besitzen könnte, stellte eine Bedrohung dar für eine der zentralen Annahmen der Biologie, auf der zahlreiche weitere Analysen und Interpretationen basieren", erklärt Damien Devos. Um die Besonderheiten der Membranstruktur von G. obscuriglobus genauer zu untersuchen, haben die Heidelberger Forscher das Bakterium in dünne Scheiben zerlegt und diese mit dem Elektronenmikroskop abgebildet.

Auf den Scheiben wurden dann die Membranen nachgewiesen, über den Umfang des gesamten Bakteriums verfolgt und ihr Aufbau am Computer rekonstruiert. Auf diese Weise entstand ein virtuelles Modell von G. obscuriglobus. Damit konnten die Wissenschafters die Membranorganisation im dreidimensionalen Raum nachvollziehen und auswerten, wie die Membranen innerhalb der Zelle aufgebaut sind.

Kein bakterieller Zellkern

Die Untersuchungen zeigen, dass die Membranen innerhalb von G. obscuriglobus lediglich ein Teil der inneren Membran sind, die in allen Bakterien vorhanden ist und dort das sogenannte Zytoplasma umgibt. "Dazu weist G. obscuriglobus weitere Charakteristika auf, die auch bei anderen Bakterien zu finden sind", erklärt Devos. Mit diesen Forschungsergebnissen muss nach den Worten des Wissenschafters die Annahme verworfen werden, dass ein bakterieller Zellkern existiert. "Der Zellaufbau und die Membranen von Gemmata obscuriglobus sind lediglich komplexer als die 'klassischer' Bakterien. G. obscuriglobus bildet also keine neue eigene Gruppe von Organismen und kann auch nicht zu den Eukaryoten gezählt werden", sagt Devos. (red, derStandard.at, 18.08.2013)