Bild nicht mehr verfügbar.

Morsi-Anhänger auf dem Ramsesplatz in Kairo.

Foto: AP/Hamra

Die Grenzen des Einflusses der USA am Nil – kaum jemand hat sie in letzter Zeit deutlicher zu spüren bekommen als Chuck Hagel. 15-mal telefonierte der Verteidigungsminister mit Abdelfattah al-Sisi, seit die Armee Anfang Juli den gewählten Präsidenten Mohammed Morsi stürzte. 15 Mal warnte er den starken Mann Ägyptens vor einer Eskalation – so zumindest stellen es die Sprecher des Pentagon dar. Erreicht hat er nichts, und so beschränkte sich Hagel zuletzt darauf, vage vor Konsequenzen in der Zukunft zu warnen. "Ich habe klargestellt, dass Gewalt und unzureichende Schritte für eine Aussöhnung ein wichtiges Element unserer traditionellen Verteidigungskooperation in Gefahr bringen."

Viel ist bisher nicht passiert. Die Entscheidung Barack Obamas, das für September geplante amerikanisch-ägyptische Manöver "Bright Star" abzusagen, hat weitgehend symbolischen Charakter. Einen Bruch mit den Generälen in Kairo will der Präsident nicht riskieren. Der Rubikon wäre nämlich dann überschritten, würde er den Putsch einen Putsch nennen.

Milliardenhilfe in Gefahr

Nach den Regeln Washingtons darf der Kongress keine Gelder für Länder bewilligen, in denen eine demokratisch gewählte Regierung vom Militär aus dem Amt gejagt wird. Im Falle Ägyptens würde es bedeuten, 1,3 Milliarden Dollar an jährlicher Militärhilfe zu streichen, ein Fünftel des Budgets der Streitkräfte Ägyptens. Es ist ein Schritt, den Obama, vorsichtig wie immer, nicht wagt. Er fürchtet, restlos zu verlieren, was den USA an Hebeln – besser gesagt: Hebelchen – noch verblieben ist.

Andere, so lässt das Weiße Haus namentlich nicht genannte Regierungsberater in den Zeitungen warnen, stehen schon bereit, um in die Bresche zu springen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben dem ägyptischen Übergangskabinett angeblich bereits acht Milliarden Dollar an Darlehen zugesagt. Rivalen wie China und Russland, so fürchten Strategen, würden sofort auf den Plan treten. Vor allem in Moskau lauere man nur auf diese Chance. "Wird unsere Finanzhilfe gekappt, können Sie sicher sein, dass Wladimir Putin in zwei oder drei Monaten in Kairo vorstellig wird", zitiert die New York Times einen anonymen US-Beamten. "Und Putin würde helfen, ohne Bedingungen zu stellen."

Der Harvard-Professor Nicholas Burns, einst Staatssekretär im State Department, spricht vom klassischen Dilemma amerikanischer Außenpolitik: einerseits für demokratische Werte einstehen, andererseits strategische Interessen wahren.

Im Falle Ägyptens scheinen Letztere eindeutig die Oberhand zu gewinnen. Zu viel steht aus Sicht der Regierung Obama auf dem Spiel: die Schirmherrenrolle der USA als Garantiemacht des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens von Camp David ebenso wie Privilegien für die amerikanische Flotte, die den Suezkanal mit Vorrang durchqueren darf.

Im Kongress wird Widerspruch laut, und zwar in beiden Parteien. "Unsere Gesetze sind eindeutig, die Hilfe für die ägyptische Armee muss eingestellt werden, wenn die Generäle die Demokratie nicht wiederherstellen", sagt der demokratische Senator Patrick Leahy. Der Republikaner John McCain, gerade zurückgekehrt von einer Reise an den Nil, fordert das Weiße Haus auf, die Dinge zumindest beim Namen zu nennen und von einem Militärcoup zu sprechen. "Wir verletzen unsere eigene Rechtsstaatlichkeit, wenn wir es nicht als das bezeichnen, was es in Wirklichkeit ist. Wir untergraben unsere eigenen Werte." (Frank Herrmann aus Washington /DER STANDARD, 17.8.2013)