Es sind große, falsche Krokodilstränen, die die SPÖ jetzt um das Demokratiepaket vergießt: Die SPÖ hat diese Initiative nur widerwillig mitgetragen und von Beginn an torpediert. Es wäre ehrlicher gewesen, die Ablehnung auch offen zu kommunizieren, anstatt das Projekt von innen zu sabotieren. Letztendlich war das Projekt, das im Kern auf eine Aufwertung von Volksbegehren abgezielt hat, so schlecht vorbereitet, dass es jetzt in sich zusammenstürzt. Vor der Wahl wird dieses Demokratiepaket mit Sicherheit nicht mehr beschlossen, nach der Wahl in dieser Form wohl auch nicht mehr.

Mit einem schleißigen Entwurf haben die Koalitionsparteien mit grüner Mithilfe dem Anliegen, dem Volk künftig mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuräumen, einen äußerst schlechten Dienst erwiesen. Die SPÖ mag das mit Absicht gemacht haben, die ÖVP hat das offenbar aus reiner Tollpatschigkeit vermurkst.

Der Entwurf für einen Gesetzestext wurde im Begutachtungsverfahren praktisch von allen namhaften Experten zerpflückt und lieferte den Gegnern von mehr Mitbestimmung Bestätigung und weiteres Material. Wenn SPÖ und ÖVP jetzt reumütig kundtun, sie wollen das Paket noch einmal diskutieren und möglicherweise im Herbst beschließen, sagen sie offensichtlich die Unwahrheit: Das gesamte Anliegen ist mit der schlampigen Vorbereitung so nachhaltig beschädigt, da wird es nicht helfen, ein paar Details am Rande umzuformulieren.

Grundsätzlich geht es darum, wie man die Bevölkerung mehr und öfter in Entscheidungsfindungsprozesse einbinden kann, ohne dabei geltungssüchtigen Milliardären, gelangweilten Zeitungsmagnaten oder rechtspopulistischen Kleingeist-Parteien ein Instrument zum Missbrauch in die Hand zu geben. Den beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP ist dabei grundsätzlich zu misstrauen: Sie haben das Instrument des Volksbegehrens durch anhaltendes und konsequentes Ignorieren zuvor selbst kaputtgemacht. Egal, ob das zuletzt das Bildungsvolksbegehren von Hannes Androsch, das Demokratievolksbegehren einer überparteilichen Initiative von Altpolitikern oder das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien war, die Regierung hat deren Anliegen mit einem Schulterzucken quittiert. Wären der Koalition Bürgeranliegen tatsächlich etwas wert, hätte sie diese bisher schon ernster nehmen können.

Wenn sich die Regierung jetzt selbst verpflichten will, Volksbegehren, die von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten unterstützt werden, verpflichtend einer Volksbefragung zu unterziehen, macht das stutzig. Ganz durchdacht ist das Vorhaben auch nicht: Volksbegehren, Volksbefragung, Volksabstimmung in einem Zug? Da drängt sich der Verdacht auf, dass sich das Volk mit sich selbst beschäftigen soll und im Kreis geschickt wird, ehe es ernst genommen wird.

Die größte Gefahr liegt aber darin, dass eine nichtqualifizierte Mehrheit, angeführt von mächtigen Medien oder einer finanziell schlagkräftigen Truppe, über die Rechte einer Minderheit entscheiden könnte - dass "wirkungsstarke Parolen sich gegenüber rationalen Überlegungen" durchsetzen könnten, wie die Präsidentschaft in ihrer Stellungnahme warnte. Es ist schade, dass die Regierung jetzt keinen Weg gefunden hat, das Volk auch abseits von Wahlen stärker in demokratische Entscheidungsfindungsprozesse einzubinden. Das Volk wäre reif dazu. Die Regierung ist es offenbar noch nicht. (Michael Völker, DER STANDARD, 17.8.2013)