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Im Bild rechts: Mohammad Mosaddegh (1882-1967) bei seinem Prozess in Teheran 1953. In einer sechsstündigen Verteidigungsrede hatte der Premierminister versucht, dem Gericht die Legitimität abzusprechen, über ihn ein Urteil zu fällen.

Foto: Corbis/Bettmann

Zur Vorgeschichte: 1901 erhält ein Engländer eine Erdölkonzession in Südpersien. 1909 wird Öl gefunden, die Anglo-Persian Oil Company (APOC) wird gegründet; der britische Staat hält 51 Prozent. 1905: Revolution! Persien wird eine konstitutionelle Monarchie. Die neue Gesellschaft bringt England billiges Erdöl und immense Profite. 1928 gründeten Shell, Exxon, APOC, Gulf, Socal, Texaco und Mobil insgeheim ein Ölkartell ("Sieben Schwestern"). 1925: Gründung einer neuen Dynastie unter Reza Schah "Pahlavi". 1933: Ein Vertrag mit der APOC bringt Verbesserungen für Persien, doch die APOC behält mehr als 80 Prozent der Öleinnahmen. 1935 wird Persien in "Iran" umbenannt, aus der APOC wird die AIOC ("Anglo-Iranian Oil Company").

1934: Annäherung Reza Shahs an Nazi-Deutschland. 1941: Alliierte Truppen besetzen den Iran und bauen den Nachschub für die Sowjetunion auf. Reza Schah wird abgesetzt, ihm folgt sein junger Sohn. Bis 1945 ist die Souveränität des Iran zwar eingeschränkt, aber urbane Schichten, bürgerlich-liberale, linke bis kommunistische und islamistische Gruppen erfahren erstmals seit der abgewürgten Verfassungsrevolution demokratische Freiheiten. Das intellektuelle Leben jener Zeit ist heute kaum vorstellbar.

In der ganz eigenen Welt der AIOC galten britische Lebensformen. Arbeiter und Handlanger waren Iraner. Die Diskriminierung war für alle Iraner entwürdigend. Die Arbeiter waren von der 1941 gegründeten kommunistischen "Partei der Massen" - "Tudeh-Partei" - dominiert. Sie forderte Emanzipation und Solidarität, war aber gleichzeitig eine dogmatische, stalinistische Partei. Im Iran war sie eine zentrale Kraft, obwohl sie 1949 nach einem fehlgeschlagenen Schah-Attentat verboten wurde. Sie bewahrte bis in die 60er-Jahre die "kulturelle Hegemonie" im Iran.

Die populärste Bewegung nach 1945 war die "Nationale Front" mit ihrem Sprecher Mohammad Mosaddegh. Er entstammte einer wohlhabenden Familie und hatte in der Schweiz studiert. Die Nationale Front verlangte radikale Neuverhandlungen mit der AIOC. Die Ölgesellschaft verfolgte jedoch einen harten Kurs. Mosaddegh verlangte schließlich die Enteignung der AIOC. Der damalige Ministerpräsident plädierte noch für Vorsicht, Anfang März 1951 wurde der Premier ermordet. Sein Nachfolger verkündete eingeschüchtert die Gründung der NIOC ("National Iranian Oil Company"). Nun schlug die Stunde Mosaddeghs: Er legte dem Parlament ein Programm für die Übernahme der AIOC vor. Der übergangene Premier trat empört zurück.

Als am 30. April 1951 die NIOC gegründet wurde, war Mosaddegh schon seit einem Tag Ministerpräsident. Die AIOC forderte eine britische Intervention; die Labour-Regierung zögerte. Auch US-Präsident Truman missbilligte einen Militäreinsatz. Die Iraner besetzten die Raffinerie, die Förderung wurde eingestellt, und Ende Oktober 1951 hatten die englischen Experten den Iran verlassen. Die AIOC heißt seither "BP" (British Petroleum). Die "Sieben Schwestern" boykottierten den Ölverkauf des Iran weltweit. Im Iran herrschte Begeisterung über Mosaddegh. Seine exzentrischen Auftritte waren die eines gebrechlichen Greises, der sich trotz seiner Schwäche für eine gerechte Sache einsetzte.

Das brachte ihm sogar internationale Wertschätzung. Für die BP und die neue britische Regierung (Churchill) war er ein "Irrer", der in der Uno im Pyjama auftrat, gestikulierte und weinte. Der iranische Befreiungsschlag löste in anderen Ölländern Begeisterung aus. 1952 kürte Time Mosaddegh zum "Man of the Year". Der Boykott iranischen Öls brachte dem Land eine Krise, für Mosaddegh wurde es schwierig, das Geschehen zu lenken. Die Tudeh-Partei forderte für die Belebung des Ölexports eine sowjetische Konzession, was der Antikommunist Mosaddegh zurückwies.

Da war noch der religiöse Führer Ayatollah Kaschani, der sich für die Nationalisierung des Erdöls eingesetzt hatte. Angesichts der wirtschaftlichen Lage hatten beide - die Tudeh-Partei und die Bewegung Kaschanis - Aufwind. BP forderte eine Entschädigung für den gesamten Profitausfall bis 1993. Im Frühling 1953 räumte die neue US-Regierung Eisenhower dem Kampf gegen den Kommunismus den Vorrang gegenüber der Kartellbekämpfung ein. Noch vertraute Mosaddegh den USA und erbat von Eisenhower Hilfe gegen den Erdölboykott. Als Antwort erhielt er die Aufforderung, seine Pflichten gegenüber BP einzuhalten. Ein sowjetisches Veto verhinderte einen Uno-Beschluss gegen Mosaddegh. Amerikanern und Briten galt der Kommunistengegner Mosaddegh zunehmend als anfällig für kommunistische Strategien.

Im Juli 1953 überstürzten sich die Ereignisse: Der Premier regierte schon seit Monaten ohne Parlament. Seit Februar gab es Spannungen mit dem Militär. Am 21. Juli organisierte die Tudeh-Partei eine Demonstration mit 40.000 Teilnehmern für den Abbruch der Beziehungen zu den USA. Mosaddegh ließ am 3. August ein Referendum für Neuwahlen durchführen und erhielt über 99 Prozent der Stimmen. Amerika setzte mit Churchills Zustimmung auf geheimdienstliche Maßnahmen. Mit der CIA wurde Mosaddeghs Sturz geplant. Diese Aktion wurde als "Operation Ajax" bekannt (nach einem bekannten Reinigungsmittel). CIA-Agent Kermit Roosevelt war seit Juli in Teheran. Er nahm mit dem gestürzten General Zahedi Kontakt auf.

Vom Schah verlangte er die Absetzung Mosaddeghs. Gegen Mosaddegh gerichtete Demonstranten wurden angeworben, um sich lautstark als "Volk" zu präsentieren. Der Schah entließ Mosaddegh und setzte Zahedi als Premier ein. Mosaddegh war informiert worden und ließ den Überbringer der Urkunde am Abend des 15. August verhaften; der Schah flüchtete nach Rom. In Teheran wurde die Abschaffung der Monarchie gefordert, die Tudeh-Partei rief zur Machtübernahme auf, Kaschani forderte Mosaddeghs Rücktritt.

Für den 17. August organisierte Roosevelt eine bezahlte Massendemonstration. Tags darauf vermittelten die Amerikaner den Eindruck, "Ajax" sei gescheitert. Mosaddegh war davon überzeugt, die USA stünden zu ihm. Er verbot weitere Demonstrationen. Am 19. August wandte sich das Blatt: Zahedi hatte über Nacht die Entlassungsurkunde vervielfältigen lassen. Die Führer der Streitkräfte wandten sich gegen Mosaddegh. Die Urkunde wurde in allen Zeitungen abgedruckt. Heftige Kämpfe vor seinem Wohnhaus forderten Hunderte von Toten.

Am Nachmittag gab Mosaddegh auf. Der Schah kehrte in den Iran zurück, bedankte sich bei Zahedi, bei "seinem Volk" - und bei Kermit Roosevelt. Mosaddegh wurde zu drei Jahren Kerker und lebenslanger Verbannung verurteilt, sein Außenminister hingerichtet. Nach der Enttarnung einer Tudeh-Organisation in der Armee wurden Hunderte exekutiert. Die Operation Ajax galt für die CIA als erfolgreich, weil über einheimische Kräfte eine politische Entwicklung ohne militärisches Eingreifen von außen manipuliert wurde. Ein Jahr später wurde das Szenario in Guatemala wiederholt.

Blieb das Erdölproblem zu lösen. Unter US-Regie wurde ein Konsortium für die NIOC eingesetzt. Alle "Sieben Schwestern" wurden im Konsortium an Förderung, Vertrieb und Transport iranischen Erdöls beteiligt. Ferner wurden auch Franzosen aufgenommen. Mithin war die US-Ölwirtschaft im Iran tief eingestiegen. Der iranische Gewinnanteil war zwar höher als unter der AIOC, aber die Bewegungsmöglichkeiten der NIOC blieben gering. Dennoch war sie ein wichtiger iranischer Geldbringer.

Welche Folgen hatte Mosaddeghs Sturz? Seine Berater hielten den Schah an, gegen die Opposition rigid vorzugehen. Es kam zu vielen Verhaftungen. Der Verdacht auf Tudeh-Nähe wurde mit Gefängnis, Folter und Tod geahndet. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich nach 1953 nicht. Ein neuer Geheimdienst ("SAVAK") wurde unter amerikanischer und israelischer Anleitung aufgebaut (1957). Parlamentarismus und Zivilgesellschaft verschwanden.

Nach 1960 wurde aus den Öleinnahmen die "Weiße Revolution" finanziert. Die Wirtschaftspolitiker des Schahs folgten der Chicagoer Schule. Die Öleinnahmen sollten vor allem der Modernisierung reicher Schichten, die als zivilisatorische Zugpferde gedacht waren, dienen. Nach 1970 schien der Schah den Ruf seiner Amerika-Hörigkeit überwunden zu haben. Er propagierte ein visionäres Zukunftsprogramm, die "Große Zivilisation": Bis zum 21. Jahrhundert sollte der Iran die fünftgrößte Wirtschaftsmacht werden. Brutale Ordnungskräfte und ein diktatorisches System hatten den Einstieg der iranischen Nation in ein endgefertigtes Gesellschaftsparadies zu garantieren. Das Ur-Ariertum wurde zur nationsstiftenden Idee geformt, und 1972 feierte die Welt prunkvoll das 2500-jährige Bestehen der Monarchie im Iran.

1978 war alles vorbei. Als sich unter Chomeini eine neue Kraft als Träger des Widerstands präsentierte, standen viele säkulare, republikanische und freiheitsliebende Menschen dazu bereit, den Schah, die "Sonne der Arier", zu verstoßen. Bis 1983 galt Mosaddegh als eine Revolutionsikone, dann wurde die säkulare "Legende" aus dem Pantheon der Islamischen Republik verbannt. (Bert G. Fragner, Album, DER STANDARD, 17.8.2013)