STANDARD-Leserin Ines B. ist eine Nörglerin aus Prinzip. Ihr Unwille, Gutes zu erkennen, wann und wo es ihr zuteilwird, ist offensichtlich: "Ich radle", schreibt Frau B., "seit Jahrzehnten im Sommer zum Baden nach Klosterneuburg. Seit heuer fahre ich da in der Kuchelau plötzlich auf einer 'Fahrradstraße'. Bloß: Strecke, Straße, Autos, Radler und Verkehr sind so wie eh und je. Habe ich etwas übersehen – oder werde ich verarscht?"
Weder noch: Seit heuer erlaubt es die StVO, "Fahrradstraßen" einzurichten. Wien ist unendlich stolz, in der Kuchelauer Hafenstraße umgehend dieses schöne Zeichen "Pro Bike" gesetzt zu haben: Verknappt gesagt, dürfen auf Radstraßen Autos nur zu- und abfahren. Und Radfahrer nebeneinander strampeln.
Alles wie immer
Effekt und Ziel: mehr Rad- und weniger Autoverkehr. Das umzusetzen verlangt einigen politischen Mut.
Wieso Frau B. sich dennoch gefrotzelt fühlt? Nun: Die Kuchelauer Hafenstraße ist eine Sackgasse. Für Autos und seit jeher. Wer da mit dem Kfz reinfährt, fährt (und fuhr) schon immer ab und zu: zu Ferienhaus, Yachtclub oder Gasthaus.
Vorzeigeprojekt
Durch die Sackgasse führt der Donauradweg. Auch seit immer: Wo es für Autos nicht weitergeht, mündet er in den Donaukanalradweg. Hier radelte man immer schon nebeneinander – und keinen hat es je gestört: Wer hier mit dem Auto rast, gefährdet die Enkelkinder seiner Nachbarn. Das kommt nicht gut an.
Jetzt heißt das Ding aber "Fahrradstraße". Meilenstein! Vorzeigeprojekt! Verkehrspolitischer Quantensprung!
Das verstehen alle – nur Frau B. nicht. Aber allen kann man es eben nie recht machen. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 16.8.2013)