Wen will die amerikanische Regierung mit ihrer Weigerung, 28 Seiten über die stille oder nicht so stille Komplizenschaft Saudi-Arabiens mit den Attentätern des 11. Septembers öffentlich zu machen, eigentlich schützen? Das saudische Königshaus mit seiner lange Zeit notorischen Nachsicht gegenüber Extremisten? Das Versagen der US-Geheimdienste? Oder sich selbst? George W. Bush hat sich mit der Zensur des dickleibigen Untersuchungsberichts des US-Kongresses zu 9/11 in eine unhaltbare Situation manövriert. Aushalten wird er sie trotzdem, denn einmal mehr muss der amerikanische Präsident seine Version vom "Krieg gegen den Terrorismus" verteidigen.

"Die größte Gefahr für die Freiheit droht dort, wo Radikalismus und Technologie einander treffen", hatte Bush vor einem Jahr in einer wegweisenden Rede vor US-Militärs in West Point erklärt und "Amerikas Feinden" gedroht: "Wir werden ihnen mit all unserer Macht begegnen." Daran gemessen, hätte ein gewaltsamer Regimewechsel in Riad und nicht in Bagdad stattfinden müssen. Schließlich gedieh der Hightech-Fundamentalismus der Al-Kaida im saudischen Königreich, dem jahrelangen Verbündeten der USA, nicht im Irak Saddam Husseins. Doch Saudi-Arabien und seine kompromittierten Herrscher haben im Antiterrorfeldzug der USA eine andere Rolle erhalten - sie sind ein treibendes Moment für den Irakkrieg geworden und für die Installierung eines verlässlicheren Regimes in der Region.

Eine öffentliche Debatte über die Beziehungen zu Saudi-Arabien will die amerikanische Regierung vermeiden - und steht doch schon mittendrin. Die Entzauberung des Irakkriegs als kühles Machtkalkül will sie verhindern. Klarheit über die Rolle des saudischen Herrscherhauses bei den Anschlägen vom 11. September haben aber auch die Hinterbliebenen der Terroropfer verlangt. Interessiert sich Washington noch für sie? (DER STANDARD, Printausgabe, 31.7.2003)