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Blair tut an diesem Mittwoch das, was er am besten kann. Er gibt eine Pressekonferenz.

Montage: derStandard.at/Foto: Reuters
Einen Rücktritt lehnt er ab. Den Irakkrieg verteidigt Blair als "richtig und berechtigt".


Manchmal können Journalisten richtig hinterhältig sein. "Herr Premierminister", fragt einer in der ersten Reihe in nettestem Ton, "Sie kennen doch Nasser Hussain. Wäre der nicht eine Inspiration für Sie?" Dieser Nasser Hussain war jahrelang Kapitän der englischen Kricketmannschaft. Als er jetzt den Hut nahm, begründete er seinen Abschied mit der Bürde, die ihm zu schwer werde. Zündende Ideen habe er auch nicht mehr. "Herr Premierminister, ein Vorbild für Sie?" Tony Blair lächelt selbstsicher und antwortet: "Nein, nein, ich bleibe England-Kapitän".

Rücktritt, immer wieder Rücktritt – es ist diese Frage, die alle bewegt. Wird Blair, nach dem Selbstmord des Irak-Waffen-Experten David Kelly angeschlagen, abgestürzt ins tiefste Umfrageloch seiner sechs Amtsjahre, aufgeben? Der Oxford-Advokat, den sie einst als Tony Superstar feierten, denkt gar nicht daran, Schwäche zu zeigen. Die Anspannung steht ihm aber ins Gesicht geschrieben: harte, konzentrierte Züge. Doch ein Medienprofi war er schon immer, deshalb ist er ja das Aushängeschild der Labour-Partei. Weder stottert er, noch verspricht er sich – kein einziges Mal. Blair tut an diesem Mittwoch das, was er am besten kann. Er gibt eine Pressekonferenz.

Seit knapp zwei Jahren geht in Downing Street Nr. 10 einmal im Monat der Vorhang für den begnadeten Darsteller auf. Immer dasselbe Ritual, dasselbe Ambiente: holzgetäfelte Wände, güldene Kronleuchter an der weißen Stuckdecke, alles britisch-gediegen. Wenn der Premier vom Pult über die Stuhlreihen schaut, blickt er König Georg II. direkt ins Gesicht. Einem Georg in Öl, einem Monarchen, der von 1727 bis 1760 auf dem Thron saß und die rebellischen Schotten in die Knie zwang. Vorn im Saal sitzt die britische, dahinter die Auslandspresse.

Blair tut gern so, als spiele er russisches Roulette. Er lässt, scheinbar ratlos, den rechten Arm kreisen, plötzlich dreht er sich in eine ganz andere Richtung und stößt mit dem Finger wie ein Habicht auf einen Journalistenkopf: "Paul, jetzt sind Sie endlich dran." Paul kommt vom Lokalblatt Newcastle Journal. Er ist ein unauffälliger Typ. Dass sich der Regierungschef seiner erinnert, zeugt von einem guten Gedächtnis.

In der Substanz aber bleibt der Medienkünstler Blair so vage, wie es nur geht. Ob er abtrete, wenn Briten und Amerikaner im Irak keine Massenvernichtungswaffen finden? Abwarten, antwortet Blair. Die Inspektoren der Irak-Untersuchungsgruppe, die nach dem Krieg nach Bagdad beordert worden waren, hätten doch gerade die ersten irakischen Wissenschafter interviewt. "Warten wir doch auf ihren Bericht." Dasselbe, fast wörtlich, hat er schon vor einem Monat gesagt. Kein Wunder, dass der Fragestellerin vom BBC-Magazin "Newsnight" der Kragen platzt. "Treten Sie nun zurück? Antworten Sie uns!"

Nachträgliche Zweifel am Irakkrieg plagen Tony Superstar jedenfalls nicht. "Die Leute müssen wissen: Was wir getan haben, war richtig und berechtigt. Und das ist ein Punkt, den wir im Lauf der Zeit beweisen müssen." Die Mahnung der Witwe Kellys, die von den Politikern verlangt, in sich zu gehen? "Ja, wir alle haben zu lernen." Konkreter wird Blair indes nicht, mehr will er zum Tod Kellys einfach nicht sagen.

Am Ende, da sei er sich sicher, messe ihn der Wähler nicht am Kapitel Irak, sondern an näher Liegendem: Wirtschaft, Krankenhäuser, Schulen, Kriminalität. So klingt jemand, der sich schon auf den Wahlkampf einstellt. Aufs nächste Parlamentsvotum, das 2005, spätestens 2006 über die Bühne geht. "Eine dritte Amtszeit, Herr Premierminister?" Die forsche Antwort: "Ich habe noch ein ziemliches Stück Arbeit vor mir. Mein Appetit ist noch nicht gestillt." (DER STANDARD, Printausgabe, 31.7.2003)