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Wollt ihr direkte Demokratie? Ein brauchbares Modell haben die Schweizer, hier in Innerrhoden/Appenzell.

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Gegen das abnehmende politische Interesse: Max Haller.

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Nach langen Beratungen, Hearings und öffentlichen Diskussionen hat das Parlament nun einen Initiativantrag zur Demokratiereform zur Begutachtung ausgesandt, der auch schon zu zahlreichen Stellungnahmen geführt hat.

Er sieht u. a. vor, dass Volksbegehren, die von mindestens 100.000 Wahlberechtigten (oder einem Sechstel aller Wahlberechtigten dreier Bundesländer) unterstützt werden, in zwei ausschließlich diesen Begehren gewidmeten Sitzungen des Nationalrates behandelt werden müssen. Außerdem wird eine Bür- ger-Fragestunde vorgeschlagen, in welcher jeder Wahlberechtigte einem Minister eine Frage stellen kann, die dieser beantworten muss. So weit, so gut.

Dass der Nationalrat verpflichtet wird, Volksbegehren ernsthaft zu diskutieren, ist ohne Zweifel ein Fortschritt, ebenso die Einführung der Bürger-Fragestunde. Anders sieht es allerdings aus, wenn man sich fragt, wie dieser Entwurf zu beurteilen ist, wenn man die Intention der direkten Demokratie und die institutionellen Möglichkeiten dazu in anderen Ländern betrachtet.

Schon die Einzelheiten des Antrags lassen eine stark obrigkeitszentrierte Ausrichtung erkennen. Der Bevollmächtigte eines Volksbegehrens darf in maximal zehn Minuten den Antrag im Nationalrat begründen; darauf soll der zuständige Minister auch nur zehn Minuten sprechen, und allen Fraktionen stehen weitere 20 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Zuständig ist das Parlament

Der ÖGB nennt in seiner Stellungnahme diese Ungleichbehandlung nicht zu Unrecht "etwas autoritär" und verweist auch auf die Problematik, dass bei einem Gesetz (auf welches sich ein Volksbegehren beziehen muss) das Parlament und nicht die Bundesregierung zuständig ist.

Die vorgesehene Information der Öffentlichkeit über laufende Volksabstimmungen nur über eine Internetplattform schließt all jene Bürgerinnen und Bürger - vermutlich mindestens ein Drittel der Bevölkerung - aus, die keinen Internetzugang haben oder bewusst darauf verzichten.

Noch enttäuschender fällt die Beurteilung des Antrags aus, wenn man sich die Ziele vor Augen hält, die mit direkter Demokratie verbunden sind und in vielen Ländern Europas (nicht nur in der Schweiz) und Staaten der USA praktiziert werden. Bürger können selbst entscheiden, ob ein Gesetz in Kraft treten soll oder nicht.

Genau dies wird im vorliegenden Antrag überhaupt nicht angesprochen. In öffentlichen Debatten haben sich zahlreiche Politiker (enttäuschenderweise vor allem solche der SPÖ, die einmal Vorreiterin für die Einführung der Demokratie war) und Experten (besonders polemisch der Verfassungsjurist Heinz Mayer) in dieser Hinsicht sehr skeptisch geäußert.

Die Meinung der Bürger zu dieser Frage ist einhellig. Die österreichweite Umfrage unter 2000 Personen, die von mir zusammen mit Ifes im vergangenen Herbst durchgeführt wurde, zeigte, dass gut 80 Prozent einen Ausbau der direkten Demokratie befürworten, vor allem dann, wenn damit konkrete Folgen verbunden sind, wie es bei einer Volksabstimmung der Fall ist. Diese Befürwortung gilt in allen Bevölkerungsgruppen, besonders stark bei höher Gebildeten und politisch Interessierten.

Befragungen können wirkliche Entscheidungen und Erfahrungen nicht ersetzen. Aber auch diese zeigen, dass die Bevölkerung sehr wohl verantwortungsbewusst handelt; man denke an die bislang einzigen Volksabstimmungen zu Atomkraft und EU-Beitritt.

Keiner der vielen Einwände (es gebe heikle Themen, die man nicht einer Volksabstimmung unterwerfen dürfe; die Abstimmungen würden von Medien und Mächtigen instrumentalisiert usw.) ist wirklich stichhaltig. Die gleichen Einwände wurden im Übrigen schon gegen das allgemeine Wahlrecht angeführt.

Faktum ist jedoch, dass die Teilnahme an formalen politischen Akten (Wahlen) und das Vertrauen in die bestehenden politischen Institutionen weltweit und besonders auch in Österreich kontinuierlich abnehmen. Ein Drittel der Österreicher - bei unter 30-Jährigen sogar die Hälfte - sagen, dass sie keinerlei politisches Interesse haben.

Die Einführung von wirklichen Elementen direkter Demokratie als Ergänzung der repräsentativen Demokratie wäre zweifellos ein Weg, der Verdrossenheit über das bestehende politische System und ihre Repräsentanten zumindest etwas entgegenzuwirken. Am höchsten ist die Zufriedenheit mit dem politischen System europaweit in der Schweiz - dem Land der direkten Demokratie par excellence. (Max Haller, DER STANDARD, 14.8.2013)