Leser Gerald W. rügt, dass ich an anderer Stelle die Lehrergewerkschaft als "Betongießer" bezeichnet habe, und meint, er halte es "sogar für unbedingt notwendig, dass die Gewerkschaft sich diesem Anschlag auf die ArbeitnehmerInnen-Rechte (neues Dienstrecht mit höheren Anfangsgehältern, aber zwei Stunden mehr im Klassenzimmer - Anm.) verweigert".

Dazu eine Offenlegung meinerseits: Ich bin kein Schulexperte, und schon gar nicht ein Experte im Dienstrecht der Lehrer. Ich habe z. B. auch echt keine Ahnung, ob die Gesamtschule besser wäre als der jetzige Zustand. Ich kann als langjähriger politischer Publizist aber das Verhalten von Interessenvertretern beurteilen - ob dieses produktiv und verantwortungsvoll oder kontraproduktiv und übertrieben egoistisch erscheint. Als Spracharbeiter kann ich beurteilen, ob die Opferrhetorik der Lehrergewerkschafter ("moderne Sklaverei") grotesk unangemessen ist.

Wenn hingegen 20 bis 25 Prozent der 15-Jährigen nicht lesen, rechtschreiben und rechnen können (und nicht nur Migrantenkinder), dann herrscht Alarmstufe 5.

Es ist keine Frage, dass Lehrer(in)sein angesichts vermehrt verhaltensauffälliger Schüler und von Eltern aus Kulturkreisen, die Frauen nicht als Autorität akzeptieren, enorm stressig ist. Ich stelle aber fest, dass das Schuljahr von unterrichtsfreien Tagen und Wochen durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse (und da sind die großen Ferien nicht dabei).

Wenn die Lehrergewerkschaft sagt, das neue Dienstrecht würde für AHS- und BHS-Lehrer eine Anhebung der Arbeitszeit um rund 30 Prozent bei gleichzeitigem Verlust von etwa 500.000 Euro in puncto Lebensverdienst bedeuten, dann bin ich nicht in der Lage, das nachzurechnen. Als Angehöriger einer Branche, in der schon lange flächendeckend sogenannte All-in-Verträge gelten, erscheint mir jedoch das Vorhaben der Regierung plausibel, künftig auch das Zulagenunwesen zu begrenzen und mit All-in alles abzugelten.

Der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Eckehard Quin, hingegen tut uns den Gefallen, sich über die Streichung folgender Vergütungen zu ereifern (dadurch erfahren wir von deren Existenz): "Dienstzulage für Erziehungsleiter oder Leiter von Exposituren; Dienstzulage für Fachkoordination an Schulen mit besonderer Berücksichtigung der musischen oder sportlichen Ausbildung; Dienstzulage für Administratoren, die aber ohnehin abgeschafft werden; Erzieherzulage; Vergütung für die Führung der Klassenvorstandsgeschäfte; Vergütung für die Verwaltung von Kustodiaten; Vergütung für die Betreuung von Studenten im Schulpraktikum: Abgeltung für die pädagogisch-inhaltliche Betreuung einer Schülergruppe auf mehrtägigen Schulveranstaltungen"; usw.

Dieses Zulagenunwesen ist wohl Teil des Problems; dass sich die Lehrervertreter an so etwas klammern, erscheint wenig effizienzorientiert. Die Lehrergewerkschaft erweckt den Eindruck, sie wolle überhaupt keine Neuerungen, und das ist selbstbeschädigend. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 14.8.2013)