Bild nicht mehr verfügbar.

Bei den Festspielen geht es um Macht, im "Sommernachtstraum" um ein Mädchen: Daniel Jeroma und Claudius von Stolzmann.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg - Clemens Hellsberg, der Vorstand der Wiener Philharmoniker, ist sauer, sehr sauer sogar. Ungewöhnlich scharf kommentiert er gegenwärtig in Medien die Salzburger Situation. Der Grund liegt auf der Hand: Das Orchester fühlt sich schlecht behandelt.

Das letzte Vierteljahrhundert, also die Zeit post Karajan, hatten die Wiener Philharmoniker, "das Rückgrat der Salzburger Festspiele", immer ein gewichtiges Wörtchen bei den Intendantenbestellungen mitzureden. Werner Resel, Hellsbergs Vorgänger, war 1989 Mitglied der von Hans Landesmann geleiteten Findungskommission, die den unbequemen Gerard Mortier durchboxte. Clemens Hellsberg wurde in die Suchtrupps berufen, die Peter Ruzicka (Intendant von 2002 bis 2006) beziehungsweise Alexander Pereira, den amtierenden Festspielleiter, fanden. Und der Mann dazwischen, Jürgen Flimm, sicherte sich die Intendanz, indem er versprach, Peter Schmidl, den Geschäftsführer der Philharmoniker, zum Konzertdirektor zu machen.

Heuer aber verzichtet das Kuratorium darauf, die Philharmoniker einzubinden. Das politisch besetzte Gremium will die Entscheidung, wer auf Pereira beziehungsweise den für die Jahre 2015 und 2016 zuständigen Interimsintendanten Sven-Eric Bechtolf folgen soll, bereits in der für 25. September anberaumten Sitzung treffen. Hellsberg reagierte wütend. News zitierte ihn mit dem Satz: "Der teilweise lemurenhaft geführte Versuch, weiterhin Machtpolitik als Selbstzweck zu betreiben, ist für mich abstoßend."

Die Nominierung einer Findungskommission schien dem Kuratorium aber einfach nicht notwendig. Schließlich gibt es mit Markus Hinterhäuser, Intendant der Wiener Festwochen bis 2016, einen Wunschkandidaten, der sich über Parteigrenzen hinweg breiter Zustimmung erfreut.

Öffentlich und noch vor Ende der Ausschreibungsfrist (2. September) für Hinterhäuser zu votieren war aber alles andere als eine taktische Meisterleistung. Denn das Verfahren verkommt zur Farce: Es geht bloß darum, dem Stellenbewerbungsgesetz Genüge zu tun. Wenigstens hat man das Personalberatungsbüro Egon Zehnder beauftragt, die Bewerbungen zu sichten. Das ist kein "Armutszeugnis", wie Hellsberg meint, sondern sorgt für ein Mindestmaß an Objektivität. Sollte Hinterhäuser, der ehemalige, mit Lob überhäufte Konzertchef der Festspiele, tatsächlich bestellt werden, muss er sich nicht nachsagen lassen, aus anderen als aus künstlerischen Gründen Intendant geworden zu sein.

Und noch ist nichts sicher. Luc Bondy, Hinterhäusers Vorgänger in Wien, diente sich kürzlich an. Mit seiner Attacke sollte er sich aber ins Off gekickt haben: Hinterhäuser, Interimsintendant 2011, "verwaltete" nicht das Erbe von Jürgen Flimm, wie Bondy meinte, sondern entwickelte auf einem halbfertigen Fundament ein konzises Programmgebäude.

Ein weiterer Gegenkandidat könnte - rein theoretisch - Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf sein. Der gute Gesell' geht ja doch nicht mit Pereira ab, wie er es bei seiner Bestellung versprochen hatte, sondern fungiert 2015 und 2016 als Interimsintendant.

Dass Kurzzeit- und Interimsintendanzen nicht wirklich sinnvoll sind, wird niemand bezweifeln. Aber dass man gut daran tat, Pereira die Vertragsverlängerung zu verweigern, stellt sich allmählich als nachvollziehbar heraus. Denn aufgrund der Ausweitung des Programms läuft der Festspielbetrieb höchsttourig - und daher im roten Bereich. Dieter Flury von den Wiener Philharmonikern meinte in den SN, dass die "Infrastruktur drastisch überbeansprucht" sei.

Das enorme Kartenkontingent sorgt zwar für Rekordeinnahmen. Und auch die Sponsoreinnahmen sind, obwohl die Uniqa als Hauptsponsor ausstieg, hoch wie nie zuvor. Aufgrund der dichten Spielplangestaltung explodierten aber auch die Überstunden, die von der Technik zu leisten sind. Daher droht, wie man hört, ein Defizit in der Höhe mehrerer 100.000 Euro.

"Finanzieller Tribut"

Präsidentin Helga Rabl-Stadler will als kaufmännisch Hauptverantwortliche "zu Gerüchten nicht Stellung" nehmen, gesteht aber ein, dass "das reichhaltige Opernprogramm auch seinen finanziellen Tribut" fordere: "Wir arbeiten daran, dass die Mehreinnahmen die Mehrausgaben ausgleichen."

Eines ist ihr aber viel wichtiger: den Philharmonikern zu versichern, dass sie auch in Zukunft die erste Geige spielen werden. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 14./15.8.2013)