An einem heißen Sommerabend startet das Dinner mit kalten Vorspeisen.

Foto: derStandard.at/elm

Es gibt indischen Karottensalat, Melanzanipüree und Tomaten-Kachumbar.

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Der Hauptgang wird serviert.

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Gemüse-Curry, Spinat-Tomaten-Ingwer-Gericht und Kichererbsen-Curry (von links nach rechts). Dazu gibt es Reis und Fladenbrot.

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Der Nachtisch: Körndlbaguette mit Alsan (Margarine) und Engelshaar (süß eingelegte, geraspelte Karotten mit Kardamom).

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Exotische Gerüche durchdringen die geräumige Altbauwohnung der 35-jährigen Katrin Waldbauer-Spegel im zweiten Wiener Gemeindebezirk. In Schürze und mit Schweißperlen auf der Stirn erledigt sie die letzten Handgriffe für das anstehende Dinner.

Punkt 19.30 Uhr haben im angrenzenden Esszimmer ihre zehn Gäste an einem großen Holztisch Platz genommen. Unter ihnen sind sowohl eine 27-jährige Social Media-Beratin als auch eine 25-jährige Lehrerin, eine Buchhalterin und eine Pensionistin. 

Essen mit Fremden

Obwohl die Temperaturen an diesem Sommerabend weit über 30 Grad liegen, herrscht unter den geladenen Gästen ausgelassene Stimmung. Das Besondere daran: Bis vor wenige Minuten haben sich die meisten von ihnen - einschließlich der Gastgeberin - nicht gekannt, denn sie sind alle Teilnehmer eines so genannten Supper Clubs.

Dabei handelt es sich um eine preiswerte Alternative zu herkömmlichen Restaurants, bei der fremde Menschen in Privatwohnungen aufeinandertreffen, um in geselliger Runde zu speisen. Bekannt ist dieses Konzept auch unter den Namen Underground Restaurants oder Guerilla Dining.

Bodenständige Küche

"Obwohl die Gäste keinen gemeinsamen Hintergrund haben, entwickeln sich sofort Gespräche", sagt die Gastgeberin. Im Gegensatz zu herkömmlichen Supper Clubs, bei denen zumeist Gourmetküche serviert wird, findet man bei Waldbauer-Spegel keine kleinen Kunstwerke auf großen Tellern. Hier kommen die Töpfe auf den Tisch und jeder Gast nimmt sich selbst, was er mag.

Restaurant in der eigenen Wohnung

"Der Unterschied zum Essengehen ist, dass der Koch oder die Köchin auch gemeinsam mit den Gästen isst", sagt Waldbauer-Spegel. Seit April bekocht die Sozialpädagogin, die derzeit in Bildungskarenz ist, einmal im Monat unter dem Namen "Kati's Vegan Supper Club" Fremde und Freunde in ihrer Wohnung. Der Anteil von Bekannten liege dabei in etwa bei 20 Prozent. "Ich finde es interessant, dass Leute in meine Wohnung kommen und meine Gerichte essen wollen", sagt Waldbauer-Spegel.

Das Ehepaar Ernst und Stephanie besucht an diesem Abend zum ersten Mal den Supper Club und sind dafür aus dem Wienerwald angereist. Bei Waldbauer-Spegel kommen nur vegane Gerichte auf den Tisch. Nach acht Jahren vegetarischer Ernährungsweise haben Ernst und Stephanie beschlossen, sich in Zukunft vegan zu ernähren und wollen beim Supper Club neue Gerichte kennenlernen.

Veganismus als zentrales Thema

An diesem Abend steht eine indische Reistafel auf dem Programm. Aufgrund der Hitze gibt es kalte Vorspeisen: Indischen Karottensalat, Melanzanipüree und Tomaten-Kachumbar. Als Hauptgericht serviert die Gastgeberin Gemüse- und Kichererbsen-Curry sowie ein Spinat-Tomaten-Ingwer-Gericht. Als Nachtisch folgt Körndlbaguette mit süßer Karottenmarmelade. Das verwendete Gemüse stammt von der eigenen Ökoparzelle im 22. Bezirk, sagt Waldbauer-Spegel.

Sie sei durch einen Vortrag zum Veganismus gekommen und überrascht, wie leicht ihr diese Ernährungsweise fällt. Während zu Beginn vor allem gesundheitliche Aspekte im Vordergrund standen, fand im Laufe der Zeit auch eine stärkere Auseinandersetzung mit Tierhaltung und ethischen Fragen statt, so Waldbauer-Spegel.

Undogmatische Ernährung

Ernst und Stephanie erzählen, dass sie seit der Umstellung nicht mehr zum Essen eingeladen werden. Ihren Bekannten sei es zu mühsam, auf ihre neuen Ernährunggewohnheiten  Rücksicht zu nehmen. Dennoch sind sie von ihrer Entscheidung, vegan zu werden, überzeugt: "Es geht uns gesundheitlich viel besser und die meisten Gerichte lassen sich auch ganz einfach veganisieren." Wird darüber auch beim Dinnerabend gesprochen?

Beim Supper Club drehen sich 90 Prozent der Gespräche um das Thema "Vegan-Sein", sagt Waldbauer-Spegel. "Wir sehen das aber trotzdem nicht dogmatisch." Weniger als die Hälfte der Gäste seien Veganer, den geringsten Anteil würden Vegetarier ausmachen. "Das sind aber trotzdem Leute, die sich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen oder frische Veganer, die Rezepte suchen", so die 35-Jährige. Einige der Gäste sind mit Stift und Block gekommen und machen während der Gespräch eifrig Notizen.

Vom Allesesser zum Veganer

Die Termine für den Supper Club werden vor allem über Internet und Mundpropaganda kommuniziert. Eine wesentliche Rolle dabei spielt das Blog "Von Schwesterlein an Lesterschwein", auf dem sich Katrin Waldbauer-Spegel und ihre 27-jährige Schwester Hanna Spegel gegenseitig Nachrichten hinterlassen.

Zentrales Thema ist immer Veganismus. Die Schwestern sind seit Beginn des Jahres Veganerinnen und waren zuvor Allesesserinnen. Auch die Rezepte der Gerichte der Supper Clubs sind auf dem Blog nachlesbar.

"Wir spielen Restaurant"

In Zukunft überlegt Waldbauer-Spegel, öfter Supper Clubs anzubieten. Im Moment finden diese immer samstags statt, geplant ist ein zusätzlicher unter der Woche. Außerdem müsse sie bei der derzeitigen Nachfrage auch immer wieder Personen absagen.

Außerdem soll der Unkostenbeitrag nach oben angepasst werden. Die Kostenbeitragsempfehlung versteht sich als freiwillige Spende und liegt momentan bei 18 Euro inklusive aller Getränke. Auf die Frage, ob man ohne Restaurantlizenz Freunde und Fremde überhaupt gegen Geld bewirten darf, stellt Waldbauer-Spegel klar: "Es handelt sich um eine reine Privatveranstaltung, wir spielen hier nur Restaurant."

Mittlerweile ist es nach Mitternacht. Alle Speisen sind aufgegessen, die Gäste schmökern in veganen Kochbüchern und tauschen Rezepte aus. Mit dem ein oder anderen Glas Wein lässt die Runde den Abend ausklingen und alle sind überzeugt, dass dies der erste, aber bestimmt nicht der letzte Supper Club war. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 18.8.2013)