Die Bandbreite an Apps erstreckt sich von harmlosen Info-Apps bis zum Profi-Werkzeug für Ärzte, von zweifelhaften Diagnoseratgebern bis zu Anwendungen mit Zusatzequipment, die das Smartphone zum Blutzuckermessgerät oder mobilen EKG machen.

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Sie erinnern an Impfungen oder die Einnahme von Medikamenten, erleichtern regelmäßige Aufzeichnungen über Gesundheitsdaten oder Symptome, sie informieren über Krankheitsbilder oder zeigen, wo in der Nähe der nächste Arzt oder Apotheker ist: Apps haben sich als kleine Helferlein auch in Gesundheitsdingen etabliert. Die Zahl derartiger Anwendungen geht in die Zigtausende, ihre Funktionalitäten sind genauso unterschiedlich wie ihre Vertrauenswürdigkeit. Die Bandbreite erstreckt sich von harmlosen Info-Apps bis zum Profi-Werkzeug für Ärzte, von zweifelhaften Diagnoseratgebern bis zu Anwendungen mit Zusatzequipment, die das Smartphone zum Blutzuckermessgerät oder mobilen EKG machen.

Anwender stehen einerseits vor der Herausforderung, beurteilen zu müssen, ob eine App tatsächlich den gewünschten Nutzen bringt. Andererseits sollten sie einschätzen können, ob die Daten, die sie der App anvertrauen, tatsächlich sicher sind. Denn die Gefahr, sich mit einer App einen Datenspion aufs Handy zu laden, birgt bei der Verarbeitung von patientenbezogenen Informationen besondere Gefahren. Wer will schon, dass Daten über die persönliche Gesundheit in die Hände von Arbeitgeber oder Versicherungen gelangen?

"Als Konsument habe ich Anspruch darauf, dass meine Daten nur für die vorgesehenen Zwecke, denen ich zugestimmt habe, verwendet werden", sagt dazu Hans G. Zeger, Obmann der Datenschutzorganisation Arge Daten. Bei einer personenbezogenen Verarbeitung von Anwenderdaten sei es zu wenig, den Anwender Checkboxen anklicken zu lassen, erklärt der Experte. Das schließe "pseudoanonymisierte Daten" mit ein, bei denen es mit zusätzlichem Aufwand noch möglich sei, auf eine konkrete Person rückzuschließen. Der Nutzer müsse zudem "in Kenntnis der Sachlage" zustimmen. "Es nur in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hineinzuschreiben wird nicht funktionieren", sagt Zeger. "Ich kann davon ausgehen, dass Daten geheim gehalten werden. Bei jeder Abweichung davon liegt die Informationspflicht beim Betreiber. Wenn jemand trotz aller Information das nicht will, ist es kein Problem."

Privatsache online

Anders ist es allerdings, wenn die App nicht aus der EU kommt, wo diese Rechtslage gilt. "Jedem muss klar sein, dass dann nur die ausdrücklich vereinbarten Datenschutzregeln gelten, die ein einfacher Konsument im Drittstaat durchsetzen müsste. De facto ist man dann vogelfrei", sagt Zeger. Apps, die ihre Nutzer in Fragen der Gesundheit unterstützen wollen, kommen auch aus Österreich. Karin Duderstadt vom Fachverlag Medmedia war Projektleiterin bei der Entwicklung der App "Meine Medizin", die seit kurzem als Apple- und Android-Version gratis erhältlich ist. Die Anwendung, deren Funktionsumfang die Erinnerung an Medikamenteneinnahme und eine Ärztesuche umfasst (siehe unten), wird von der Vereinigung der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) und der Wiener Ärztekammer finanziert. Beide Institutionen wollen damit zeigen, dass sie sich aktiv für Patienten engagieren. Die Pharmig will so die Therapietreue von Patienten verbessern, die Ärztekammer ihre Webdienste zeitgemäß und mobil präsentieren. Duderstadt freut sich über einen guten Start der App, 8000 Downloads in den ersten Monaten und positives Feedback der Nutzer.

In Sachen Datenschutz beruhigt sie: "Die Daten werden nur lokal am Handy gespeichert." Es gebe keine Auswertungen der Daten, egal welcher Art. Allerdings empfiehlt die App-Macherin Smartphones mit Passwort oder Code zu schützen, damit die Daten bei Verlust des Geräts nicht in falsche Hände gelangen können. Duderstadt kennt die Angst von Patienten und Auftraggebern, dass Unbefugte an Patientendaten kommen könnten. "Das ist das Allererste, über das die Leute mit uns reden wollen." Es sei Thema in jedem Kundengespräch.

Service und Qualität

An der Entwicklung der Apps "Patientensicherheit" und "Impfmanager war der niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger beteiligt. Beschwerdefälle im Zusammenhang mit medizinischen Apps seien ihm noch keine untergekommen. "Ich bin jemand, der sehr viel Hoffnung in die neuen elektronischen Werkzeuge legt", sagt er. Das Datenschutzproblem sei oft im Fokus, es liege aber auch sehr viel Positives und "Empowerment" von Patienten in den neuen Möglichkeiten. "Jeder Patient muss das für sich gewichten." Er erwarte sich von den Apps "sehr viel mehr Service und Qualität für die Patienten".

Beim "Impfmanager" habe man sich aus Servicegründen bewusst für eine zentrale Speicherung entschieden, sagt Bachinger. Niemand habe Zugriff auf die Daten, die auf einem Server des Anbieters APA-IT liegen. Es würden auch keine Auswertungen gemacht. Die App soll lediglich den Überblick über die eigenen Impfungen gewährleisten. "Der nächste Schritt im Zuge des medizinischen Informationssystems Elga wäre ein elektronischer Impfpass", sagt Patientenanwalt Bachinger. Er würde sich allerdings nur an Anwendungen beteiligen, hinter denen keine Geschäftsinteressen stehen. "Dort, wo Geld verdient wird, mache ich nicht mit."

Viele Apps wie "Meine Medizin" oder der "Impfmanager" verstehen sich als Informations- und Servicewerkzeuge. Dort, wo Programme aber in Diagnose und Therapie von Erkrankungen eingreifen, ist eine App als Medizinprodukt zu betrachten und unterliegt damit speziellen gesetzlichen Bestimmungen.

Messdaten am Handy

Der Diabetes-Manager "MySugr", ebenfalls aus Österreich, ist eine der raren Apps, die sich diesen Richtlinien unterworfen haben. "Sobald eine Interpretation von Therapiedaten erfolgt, wird es zum Medizinprodukt", sagt Frank Westermann, Geschäftsführer von MySugr. "Auch wenn nur Blutzuckerwerte zum Beispiel mit warnenden Farben gekennzeichnet werden." Bestimmte Dokumentations- und Testprozesse, die solche Features begleiten, hätten großen Einfluss auf den Entwicklungsprozess und machen ihn viel aufwändiger, sagt Westermann. Denn: "Entscheidungen, die Nutzer aufgrund der App treffen, können einen gravierenden Einfluss haben."

Der Aufwand hat seinen Preis: 39 Euro müssen Nutzer pro Jahr für die App zahlen. Dafür will MySugr fortlaufend neue Features liefern. "Wir arbeiten daran, die App mit Blutzuckermessgeräten kompatibel zu machen, um Daten direkt und drahtlos übernehmen zu können", sagt Westermann. Es soll zudem die Möglichkeit geschaffen werden, dass Nutzer ihrem Arzt einen Zugriff auf die persönlichen Messdaten geben können. Im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Pharmaunternehmen Sanofi können sich Anwender eine Gratisnutzung erspielen, wenn sie regelmäßig messen und richtig protokollieren. Dafür werde Sanofi als Sponsor genannt. Auch bei MySugr werden die Nutzerdaten zentral gespeichert. Und auch Westermann sagt: "Wir würden nie Daten herausgeben." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, CURE, 14.8.2013)