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Die bislang einzigen religiösen Bekenntnisgemeinschaften, die die staatliche Anerkennung erhielten, waren die Zeugen Jehovas 2009 und die Alevitische Glaubensgemeinschaft im Mai diesen Jahres. Im Bild eine Massentaufe der Zeugen Jehovas in Hamburg.

Foto: DPA/Perrey

Wien - Schulischer Religionsunterricht, Steuererleichterungen und Ausnahmeregelungen im Dienstrecht: All diese Privilegien bleiben in Österreich gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften vorenthalten. Welche Gruppierungen das staatliche Gütesiegel erhalten sollen, kann zur heiklen Frage werden, schließlich ist die Glaubensfreiheit im österreichischen Staatsgrundgesetz verankert. Die bislang einzigen religiösen Bekenntnisgemeinschaften, die die staatliche Anerkennung erhielten, waren die Zeugen Jehovas 2009 und die Alevitische Glaubensgemeinschaft im Mai diesen Jahres.

Nun könnte mit dem Zusammenschluss von fünf Freikirchen eine weitere Bekenntnisgemeinschaft folgen. Bislang blieb den einzelnen Freikirchen aufgrund ihrer geringen Mitgliederanzahl eine Anerkennung verwehrt, da kein Bund über die erforderliche Grenze von zwei Promille der Gesamtbevölkerung verfügt, also derzeit 17.000. Dabei können viele Freikirchen im Gegensatz zu den christlichen Stammkirchen teils starken Mitgliederzuwachs für sich verbuchen. Die zwei größten Bünde, die Evangelikalen und der Zusammenschluss der Pfingstgemeinden, konnten die Anzahl ihrer Mitglieder in der letzten Dekade nahezu verdoppeln.

"Damit ist eine neue Frustrationsgrenze erreicht worden", sagt Roland Eichinger vom Bund evangelikaler Gemeinden. Unter dem Namen "Freikirchen in Österreich" taten sich bereits im Jänner fünf freikirchliche Bünde zusammen, neben den Evangelikalen die Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde, der Bund der Baptistengemeinden, die Elaia Christengemeinden und die Mennonitische Freikirche. Gemeinsam verfügen sie über knapp 20.000 Mitglieder. Sie reichten einen Anerkennungsantrag ein. Laut dem zuständigen Kultusamt soll es Ende August eine Entscheidung geben.

Rechtsvertreter der Freikirchen und gleichzeitig Synodenpräsident der evangelischen Kirche, Peter Krömer, rechnet "eher nicht" mit gröberen Einwänden. Der Zusammenschluss der Freikirchen lässt sich wohl am besten als Zwangsehe umschreiben, unterscheidet sich ihre Lehre doch teilweise sehr stark. Gemein ist ihnen die vergleichsweise große Autonomie der einzelnen Ortsgemeinden sowie ein distanziertes Verhältnis zum Staat.

Ultrakonservative Werte

Die meisten freikirchlichen Bünde geben sich außerdem nach außen hin modern und propagieren gleichzeitig ultrakonservative Wertvorstellungen.

Außerehelicher Sex, Scheidungen oder Homosexualität sind in vielen freikirchlichen Gemeinden ein Ausschlusskriterium. Die größten theologischen Differenzen lassen sich zwischen den Evangelikalen und den "Pfingstlern" finden: Während die Lehre Ersterer vor allem auf einer strengen Auslegung der Bibel als Wort Gottes beruht, setzen die Pfingstgemeinden verstärkt auf das "Spüren" des Glaubens: Charismen wie Wunderheilungen, Prophezeiungen und Zungenreden werden dort noch praktiziert.

"Bei der Anerkennung geht's vor allem um Geld sowie eine staatliche Positivetikettierung", sagt Martin Felinger, Leiter der privaten Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren. Genauso sei es auch bei der Anerkennung der Zeugen Jehovas passiert: Mit Erhalt des "staatlichen Gütesiegels" ebbte die öffentliche Kritik ab. Dabei seien nicht alle freikirchlichen Gemeinden unproblematisch: Gerade aus dem "pfingstlerischen" Bereich suchen immer wieder Aussteiger die Beratungsstelle auf.

"Wir sind als Fachstelle nicht in die Anerkennung eingebunden", sagt Felinger, "warum hat die Politik nicht den Mut, so etwas auch öffentlich zu kommunizieren?" In der Kultusabteilung des Unterrichtsministeriums lehnte man eine Interviewanfrage des STANDARD ab. (Fabian Kretschmer, DER STANDARD, 12.8.2013)