"Reform" ist ein gefährliches Wort. Vor allem, um damit einen Wahlkampf zu bestreiten. In der Theorie wollen alle Reformen – etwas Neues muss her, der Stillstand muss überwunden werden, die alten Verhältnisse müssen sich ändern, so geht es nicht mehr weiter. Manchmal bringt das politischen Erfolg – Obama mit "Change" im Jahr 2008. Auch in Österreich verlangt die (veröffentlichte) Meinung nach "Reformen". Umfragen scheinen Zustimmung zu signalisieren. Aber reformiert werden soll möglichst beim anderen. Das österreichische Grundbedürfnis heißt eher "Sicherheit", eventuell "Gerechtigkeit".

Die ÖVP unter Michael Spindelegger will nun eine "Reformregierung". Der Hinweis, dass die Partei schon länger in der Regierung ist, wird damit gekontert, dass man eben Juniorpartner sei. Und wenn Spindel­egger erst Kanzler sei, werde alles anders.

Spindelegger müsste dazu erst Kanzler werden und zweitens die beharrenden Kräfte in der eigenen Partei (z. B. Beamtengewerkschaft) überwinden. Die größere Frage ist jedoch, ob Österreich schon in dem Stimmungsstadium ist, wo der Wunsch nach Reformen stärker ist als der Wunsch nach Halten des Status quo. Die Missstimmung besonders in der Mittelschicht ist beträchtlich. Ob sie groß genug ist, um die Furcht vor Veränderungen zu überwinden, und ob man Spindelegger den Reformer abnimmt, wird möglicherweise die Frage dieses Wahlkampfes. (RAU, DER STANDARD, 10.8.2013)