Wien - "Idealist zu sein, das gehört zum Buchhandel dazu. Dass man hier nicht reich wird, ist kein Geheimnis." Alexander Stelzer hat vier Kollegen in Linz zusperren sehen. Ihm selbst sagte manch einer eine Lebenszeit von wenigen Monaten voraus, nach 25 Jahren hält er auf dem Hauptplatz aber nach wie vor unbeirrt die Stellung.
Viele fragten ihn, wie dies in Zeiten von Amazon und elektronischen Büchern noch möglich sei, erzählt er. "Besinnen sich regionale kleine Händler jedoch auf ihre Stärken, haben sie gute Chancen" - als Berater und Veranstalter etwa, indem sie Autoren empfahlen und förderten. "Denn es wird immer Menschen geben, die über Bücher sprechen wollen." Die Marktbereinigung, meint Stelzer, finde derzeit vor allem bei großen Ketten statt - nachdem sie zuvor freilich viele Kleine verdrängt hätten. Flächen von 2000 Quadratmetern seien mit Büchern allein einfach nicht mehr bespielbar.
Ob er noch einmal von neuem beginnen würde, wisse er nicht, sinniert er. Junge Kollegen dürften sich jedoch von Unkenrufen nicht entmutigen lassen. Es sei vor allem die Liebe zu Büchern, die antreibe.
Österreicher lassen sich ihren Lesestoff im Jahr knapp 800 Millionen Euro kosten; Lehrbücher, Zeitschriften und Zeitungen sind darin eingerechnet. 2012 musste die Branche Einbußen von fünf Prozent hinnehmen, im Jahr davor waren es drei Prozent. Seit heuer aber geht es wieder bergauf.
Absage an Amazon
In den ersten sechs Monaten erhöhten sich die Buchhandelsumsätze um immerhin mehr als zwei Prozent, erhob der Marktforscher GfK, und damit deutlich über der Entwicklung des gesamten Einzelhandels. Auch die Schweizer und Deutschen erlebten Aufwind.
Gerald Schantin, Chef von Morawa und Präsident des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels, ist überzeugt, dass dazu auch Turbulenzen rund um Dumpinglöhne des Onlineriesen Amazon beitrugen. Vielen Leuten sei bewusst geworden, dass Internetgeschäft nicht per se gut sei, dass sie den stationären Handel damit schwächten. Online bestellt werde nach wie vor, seit drei, vier Monaten aber verstärkt bei österreichischen Händlern. "Dieser Trend ist nachhaltiger, als wir dachten."
Fast 19 Prozent der Bücher werden hierzulande mittlerweile im Internet geordert. Die Zuwachsraten sind zweistellig, flachten sich jedoch international ab. Im Gegensatz zum Geschäft mit Elektronik und Mode, bei dem die Verlagerung ins Web an Tempo gewann.
Schantin geht davon aus, dass sich das Potenzial für den Onlinehandel bei Büchern bei 20, 25 Prozent erschöpft. Beide Vertriebswege zu bedienen, daran hat sich die Branche längst gewöhnt. Auch die meisten kleineren Händler betreiben Webshops. Es gehört eben dazu, ergänzt Stelzer, ohne aber verschweigen zu wollen, dass Amazon Onlinegeschäfte handwerklich wohl am besten beherrsche.
Einzelkämpfer auf gutem Wege sieht auch Michael Kernstock, der zwei Läden in Wien führt und die Branche in der Wirtschaftskammer vertritt. Dass ihnen das stark angeschlagene Image von Amazon auf Dauer mehr Kunden zutreibt, bezweifelt er aber und erinnert an die einstigen Malversationen rund um die Libro-Pleite. "So etwas ist halt schnell wieder vergessen."
Den rasanten Siegeszug des E-Books in den USA sieht Schantin nüchtern. In Österreich liege ihr Anteil derzeit bei gerade einmal einem Prozent. So oft sei das Buch schon zu Unrecht totgesagt worden. Die Struktur der Branche sei in Europa zudem eine völlig andere: "Bücher sind an jeder Ecke verfügbar. Jeder Händler kann auf das gleiche Angebot zu gleichen Preisen zurückgreifen." In den USA wird indessen bereits beinahe ein Drittel aller Titel elektronisch erworben und gelesen. Und Marktforscher erwarten, dass der Anteil bis 2017 auf mehr als die Hälfte steigt.
Kernstock glaubt an vernünftiges Nebeneinander. Für Schulbücher etwa werde in Österreich seit Jahren an parallelen elektronischen Versionen gearbeitet. Zum Einsatz kämen diese flächendeckend aber wohl nicht vor 2016.
1900 Buchhändler haben in Österreich Gewerbeberechtigungen, die meisten in Wien und Niederösterreich. Großes Sterben in der Branche ist nicht abzulesen. Mehr als die Hälfte der Betriebe ist unabhängig. Und der Umsatzanteil führender Ketten hält sich im Vergleich zu anderen Handelssparten weiterhin deutlich in Grenzen.
Platzhirsch Thalia büßte zuletzt bei höherem Umsatz Gewinne ein. Die Douglas-Tochter steckt reichlich Geld ins Internet, reüssiert in Österreich besser als in Deutschland, verkleinert jedoch auch hier Flächen zugunsten buchfremder Sortimente. Morawa als Nummer zwei sieht keinen Druck, Flächen zu reduzieren, schloss aber da und dort Filialen, um deren nun 20 zu halten. Den Westen fest im Griff hat Tyrolia mit 21 Standorten.
Christoph Schiemer, Generaldirektor der Tiroler Buchkette, sieht heuer durchaus gute Umsätze. Die große Expansionswelle sei jedoch vorbei. Der eine oder andere Einzelkämpfer könne sich für Tyrolia noch für eine Übernahme anbieten. Von Neueröffnungen sei aber keine Rede - der Markt sei zu, resümiert er. Newcomer im Buchhandel habe er in Tirol jedenfalls schon lange keine mehr wahrgenommen. Für Einzelkämpfer werde es eben immer schwieriger.
Manuela Grabherr-Gappmayer ist dennoch guten Mutes. Die Co-Leiterin des Netzwerks Business-Mamas eröffnet im September in Wiener Neustadt ein Buchcafé, finanziert über Crowdfunding, mit Schwerpunkten rund um Familie und Gesundheit. Bis zu 90.000 Euro erfordere ein Start ins Buchgeschäft, 50.000 versucht sie über private Kleininvestoren über eine von der Finanzmarktaufsicht geprüfte Plattform aufzutreiben.
Orte zum Verweilen
Ihr sei bewusst, dass viel Arbeit auf sie warte. "Es ist kein Geschäft, in dem man aufsperrt, und der Laden rennt." Sie sei Germanistin, habe lange in der Literaturvermittlung gearbeitet, Bücher hätten sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Sie wolle einen Ort zum Verweilen, Schmökern, Informieren und Plaudern schaffen, sagt sie und erzählt vom Wunsch nach Regionalität, Nachhaltigkeit und langsameren Konsum. Ob es gelingt, werde sich nach einer Durststrecke von ein bis zwei Jahren weisen. "Scheitern geht nicht." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 10./11.8.2013)