Wien - Das Fürstentum Monaco hat in letzter Zeit doch deutlich an Glamour eingebüßt. Ein für alle Mal vorbei scheint die Epoche, in der ein Hollywood-Star wie Grace Kelly durch eine Heirat an die Côte d'Azur den Adel von Geburt und den von Gnaden der Öffentlichkeit wirkmächtig verbinden konnte. Und wie an vielen solchen Orten sind es Oligarchen, die an die Stelle der alten Aristokratie treten. Zum Beispiel einer wie Ivan Rostovsky, der in Eric Rochants Thriller Die Möbius-Affäre in Monaco nach Anlagemöglichkeiten für seinen Reichtum sucht.
Eine Bank, die auf solche Kunden spezialisiert ist, stellt ihm eine besonders qualifizierte Mitarbeiterin zur Verfügung: Alice versteht sich auf jene Geschäfte, für die niemand mehr mit einem Koffer voll Bargeld irgendwelche Landesgrenzen überqueren muss. Dass sie auch noch eine attraktive Dame von Welt ist, scheint an Rostovsky auch nicht gänzlich vorüberzugehen, wenngleich sein Sicherheitschef hartnäckig argwöhnisch bleibt. Was, wenn Alice ein doppeltes Spiel spielt?
Der Titel Die Möbius-Affäre deutet schon an, dass es sich wohl so verhält, und dass Alice nicht die einzige Figur mit einem mehrfachen Einsatz ist. Wie in einer Möbius-Schleife immer alles zu sich selbst zurückfindet, ohne dass sich dadurch etwas positiv auflösen würde, so verschachtelt Rochant die internationale Finanzwelt mit der internationalen Polizei und verschiedenen Geheimdiensten zu einem undurchdringlichen Labyrinth, das allerdings als filmische Erzählung funktioniert. Denn hier hängt ja alles an den Figuren, und die werden in ihren Motivationen und mit ihren Dilemmata plausibel entworfen.
Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Alice und einem Mann namens Grégory Lioubov, der gute Gründe hat, ihr seine beruflichen Hintergründe zu verschweigen. Er leitet nämlich das Team, das Alice angeworben hat, damit sie Rostovsky eine Falle stellt. Damit ist die Konstellation des Films hinlänglich etabliert: Alice steht zwischen einem zwielichtigen Klienten und einem einnehmenden Helden. Alle drei haben verschiedene Organisationen und Zusammenhänge hinter sich, die auf die wirklichen Machtverhältnisse in der Welt verweisen.
Ein Artist wird seriös
Eric Rochant (Staatsauftrag: Mord, 1994) schließt mit Die Möbius-Affäre deutlich an ein Kino an, das in Europa einmal sehr stark war, heute aber fast vergessen ist: die Ära der großen Koproduktionen, in denen Genreformeln mit mondänen Drehorten verbunden wurden. Alain Delon war ein Held dieser Ära, mit Jean Dujardin gibt es nun einen legitimen Nachfolger. Der französische Schauspieler und Komiker, der mit Agentenklamotten bekannt wurde, bevor er als Stummfilmstar in The Artist einen Welterfolg hatte, beginnt nun mit Die Möbius-Affäre beinahe so etwas wie eine zweite Karriere als "leading man". Und er erweist sich dabei als ausgesprochen charismatisch.
Am besten kommt das in Szenen zur Geltung, in denen er möglichst wenig machen muss. In einer exklusiven Bar in Monte Carlo ist er dazu abgestellt, Alice zu beobachten. Er muss sich also eher unauffällig verhalten, doch gelingt ihm das natürlich nicht so recht. So entsteht zwischen Dujardin und Cécile De France, die die weibliche Hauptrolle spielt, eine genuin filmische Spannung in einer Verführungsszene, die wesentlich überzeugender wirkt als der eigentliche Liebesakt, den Rochant später auch noch zeigt. Dujardins klassische Starqualität wird auch noch dadurch akzentuiert, wie Tim Roth den Rostovsky spielt - mit einer deutlich abgründigeren Aura. Bei Grégory hingegen erweckt alles den Anschein, als wäre er nicht mehr als er selbst: Physis und Persönlichkeit in perfekter Harmonie, ein Mann, bei dem Alice Zuflucht sucht vor den Widrigkeiten der Scheinwelten, in denen sie sich bewegt.
Dass Grégory diesen Welten selbst zugehört, setzt die spannende und bis zuletzt überraschende Geschichte von Die Möbius-Affäre in Gang. Rochant holt dafür weit aus, gelingen kann das aber nur, weil er im Zentrum einen Star hat, der mit seinem Spiel an ein altes, tragisches Prinzip rührt: Ein Held ist, wer zu den Launen der Götter die beste Figur macht. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 9.8.2013)