Hinterhof-Diskutanten: Anhammer, Ludwig, Ulreich und Moderator Czaja (v.l.).

Foto: art:phalanx

Michael Ludwig, Hans Jörg Ulreich, Michael Anhammer: Die personelle Besetzung der ersten Auflage der "hinterhof kontrovers"-Sommergesprächsreihe der Agentur art:phalanx versprach tatsächlich einiges an Kontroverse, hielt doch Ulreich, Bauträgersprecher in der WKÖ, in den letzten Wochen und Monaten mit Kritik an Wohnbaustadtrat Ludwig nicht hinterm Berg (nachzulesen etwa hier oder hier).

Ganz so hitzig wurde es am Mittwochabend in einem lauschigen Hinterhof der Neubaugasse dann doch nicht; das von STANDARD-Architekturkritiker Wojciech Czaja moderierte Gespräch mit dem Titel "Was macht Wohnen teuer?" war über weite Strecken ein sehr höflich gehaltener Austausch von Argumenten. Was vielleicht auch daran lag, dass sich Ludwig und Ulreich erst kürzlich unter vier Augen besprochen hatten - ein Termin, um den Ulreich laut eigenen Angaben lange hatte bitten müssen.

Über die erst kürzlich von Ludwigs Büro kommunizierten ersten Details der Novellierung der Wiener Bauordnung ist der Bauträger-Sprecher jedenfalls sehr froh, weshalb er sich beim Stadtrat dafür auch vor Publikum gleich einmal bedankte. Freilich nicht ohne schon im nächsten Atemzug der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass man diese neuen Regelungen auch "durchbekommen" möge. Er würde nämlich sehr gerne "Notkamine gegen Architektur tauschen", sagte Ulreich.

Brandschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze

Auch Michael Anhammer würde das zweifellos gerne, er ist Vorsitzender des Wettbewerbsausschusses in der Architektenkammer für Wien, NÖ und Burgenland. Gerade Dachgeschoßausbauten wären ein dankbares Betätigungsfeld für junge heimische Architekturbüros, sagte er, doch die strengen Regelungen würden Bauträger quasi dazu zwingen, die maximale Kubatur unterzubringen; die Architektur bleibe dabei auf der Strecke, so Anhammer.

Generell seien aufgrund des zunehmenden Kostendrucks im Wohnbau – woran er, wie auch Ulreich, die "Normenflut" für hauptschuldig hält - hierzulande "verspielte" Ansätze wie etwa in der zeitgenössischen skandinavischen Architektur nicht möglich. Gerade auch bei Themen wie Brandschutz, Barrierefreiheit und Stellplätzen sollten deshalb auch aus seiner Sicht Nägel mit Köpfen gemacht und also teure Normen ein wenig zurückgeschraubt werden.

Barrierefrei vs. behindertengerecht

Gegen eine Abkehr der Verpflichtung, jede neu gebaute Wohnung barrierefrei zu errichten, verwahrte sich wiederum Ludwig. Weil es hier aus seiner Sicht auch zu einer Begriffsverwirrung komme, stellte er klar, dass "barrierefrei" und "behindertengerecht" nicht dasselbe sei. "Barrierefreie Wohnungen sind beispielsweise auch für Menschen mit Rollator oder Eltern mit Kinderwägen sinnvoll."

Ulreich unterstützte das, zumindest was den Neubau betrifft. Im Altbau hat er mit den geltenden diesbezüglichen Vorschriften schlechte Erfahrungen gemacht, als es etwa darum ging, ein Erdgeschoß von Büro- auf Wohnnutzung umwidmen zu lassen und (ausschließlich) dieses dann zu sanieren. "Findet eine Umwidmung und auf mehr als 50 Prozent eines Stockwerks ein baulicher Eingriff statt, heißt das, es muss auch ein Lift eingebaut werden." Als gewerblicher Bauträger nehme man von so einem Projekt dann eben Abstand, bekannte er.

Stellplatzverordnung wird geändert

Bezüglich der geplanten Änderung der Stellplatzverordnung ließ Ludwig neuerlich durchblicken, dass man wohl auf eine quadratmeter-bezogene Variante umschwenken werde. Künftig soll also nicht ein Stellplatz pro Wohnung (wie bisher, allerdings sind schon jetzt Ausnahmen möglich) errichtet werden müssen, sondern ein Stellplatz pro bestimmter (noch zu definierender) Quadratmeter-Anzahl an Wohnnutzfläche.

Auch das wurde von Ulreich begrüßt, schließlich hätte sich die geltende Regelung ausgerechnet wegen der von der Stadt verfolgten Strategie, zunehmend kleinere Wohnungen ("Smart Wohnungen") zu errichten, aus seiner Sicht geradezu pervertiert. Er stellte allerdings auch die Frage, warum es überhaupt eine solche Verpflichtung geben müsse, denn ein Bauträger könne meist recht gut einschätzen, wieviele Stellplätze er in welcher Gegend brauche.

Disput um Sanierungsförderung

Abgesehen von einem sehr großen Auffassungsunterschied, was das Potenzial der Wiener Dachgeschoße betrifft - Ludwig hält 25.000, Ulreich bis zu 100.000 Wohneinheiten für möglich - wurde es dann zum Schluss doch noch ein wenig hitzig. Aus Sicht des Bauträgers Ulreich kann Wohnen nur billiger werden, "wenn das Angebot steigt". Von Mietrechtsbeschränkungen hält er deshalb gar nichts, es müsse schlicht mehr gebaut und saniert werden, doch das Förder-Regime für Sanierungen sei leider nachgerade absurd: "Wenn ich eine Wohnung mit 50-prozentiger Förderung vom Staat saniere, darf ich danach bis zu neun Euro an Mietzins verlangen. Saniere ich aber völlig freifinanziert, dann gilt weiter der Richtwert, dann sind also kaum mehr als sechs Euro drin."

Förderungen der Stadt bekomme im Übrigen nur, wer sich nicht  kritisch äußere – wogegen Ludwig naturgemäß protestierte, unter anderem mit dem Hinweis, dass Ulreich doch auch schon den von der Stadt unterstützten und von der Bauinnung ausgelobten Wiener Stadterneuerungspreis bekommen habe. Ulreich dazu: "Ja, aber seit ich kritisch bin, gewinne ich nichts mehr." (Martin Putschögl, derStandard.at, 8.8.2013)