Julian Schmid ist schon seit dem Alter von 13 Jahren bei den Grünen aktiv. Bei der Nationalratswahl kandidiert er auf Listenplatz acht, er wird höchstwahrscheinlich ins Parlament einziehen. Im Interview mit derStandard.at erklärt er, was Jörg Haider damit zu tun hat und warum er Politikverdrossenheit bei Jungen nicht nachvollziehen kann. An seiner Partei stört ihn nicht viel, außer dass sie den Menschen manchmal vorschreiben will, wie sie leben sollen. "Den Grünen ist auch bewusst, dass das irgendwie uncool ist. Es ist besser, etwas vorzuschlagen und dann zu versuchen, die Menschen davon zu überzeugen."

derStandard.at: Sie sind schon mit 13 den Grünen beigetreten. Warum sind Sie so früh in die Parteipolitik gegangen?

Schmid: Ich war ziemlich früh politisch interessiert, auch meine Freunde. Ich habe beschlossen, politisch aktiv zu werden, nachdem Jörg Haider bei uns in der Schule zu Besuch war. Er ist mehreren Bodyguards gekommen, das war ein extrem martialischer Auftritt. Wir haben dann Anstecker gegen Schwarz-Blau verteilt. Der Schulwart ist zu mir gekommen und hat mir den Anstecker von der Jacke gerissen. Meine Jacke hatte ein Loch. Er hat gesagt, dass sei gefährlich für die Schule. Wir waren damals erst dreizehn, und das war sehr einschüchternd. Ich dachte mir damals, dass es keine Meinungsfreiheit in Kärnten gibt, deshalb bin ich zu den Grünen gegangen.

derStandard.at: Warum die Grünen und nicht zum Beispiel die SPÖ?

Schmid: Die war damals in einer Koalition mit Haider. Die SPÖ in Kärnten war überhaupt keine Option. Das hat sich mittlerweile mit Peter Kaiser geändert, sie sind viel cooler geworden. Die Grünen in Kärnten waren damals engagierte Bürgerinnen und Bürger. Die haben keine Macht gehabt. Die haben das ernst gemeint, dass sie mit dem System Haider nichts anfangen können.

derStandard.at: Viele Menschen – vor allem auch Junge – sind politikverdrossen und meinen, mit Politik könne man wenig ausrichten. Woher, glauben Sie, kommt dieses Gefühl, nichts verändern zu können?

Schmid: Die Leute assoziieren mit Politik irgendwelche Männer, die sich gegenseitig Geld zuschieben. Dann ist Wahl, es gibt Plakate und nichtssagende Slogans. Dass das nicht cool ist, ist nachvollziehbar. Ich persönlich habe eigentlich extrem positive Erfahrungen gemacht mit politischem Engagement. Ich habe in meiner Zeit als Schulsprecher gemerkt, dass ich gerne Leute vertrete. An der Schule habe ich zum Beispiel einen Kantinenstreik organisiert, weil die Preise so hoch waren. Dann sind die Preise tatsächlich gesenkt worden. Das ist für mich Politik. Man darf sich nur nicht einschüchtern lassen. Es gibt immer welche, die sagen, das war schon immer so, wir sollten nichts ändern.

derStandard.at: Die Jugend wird derzeit oft als zu angepasst bezeichnet. Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier hat sie sogar als "angepasste Hosenscheißer" bezeichnet. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Schmid: Die Jugendforschung muss sich erhalten und lebt in Österreich davon, dass sie meine Generation schlechtmacht und sagt, dass früher alles besser war. Ich weiß nicht, ob in den Siebziger Jahren tatsächlich junge Leute generell engagierter waren. Ich weiß aus meiner persönlichen Erfahrung: Wenn ich mich engagiert habe, waren immer viele dabei, die mitgemacht haben – wenn es sinnvoll war. Junge Leute haben sicher keine großen Ideologien und laufen nicht leicht irgendeiner Partei nach. Das muss man unserer Generation anrechnen. Auch das Phänomen des Wechselwählers finde ich gut. Das bedeutet, dass sich keine Partei mehr ausruhen kann, auch die Grünen nicht.

derStandard.at: Sie kandidieren auf der Bundesliste auf Listenplatz acht, es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Sie in den Nationalrat einziehen. Wie bereiten Sie sich vor?

Schmid: Mit viel Nachdenken.

derStandard.at: Worüber zum Beispiel?

Schmid: Ob ich dem gewachsen bin. Manchmal denke ich auch, dass es eine Nummer zu groß ist.

derStandard.at: Was könnte eine Nummer zu groß sein?

Schmid: Ich habe Angst, dass es nicht so klappt, wie ich es mir vorstelle. Ich möchte nach fünf Jahren das Gefühl haben, dass ich etwas bewegt habe und dass es Menschen gibt, die sich über das, was ich gemacht habe, freuen. Das Parlament ist extrem groß, da gibt es Politikprofis. Es wird stressig, ich hoffe, dass ich trotzdem Zeit habe für Familie und Freunde.

Foto: Standard/Bogner

derStandard.at: Auch bei den Grünen gibt es de facto einen Klubzwang. Wie finden Sie das?

Schmid: Das gibt es bei den Grünen, glaube ich, nicht.

derStandard.at: Natürlich, auch die Grünen stimmen immer gemeinsam ab, Abweichungen gibt es selten.

Schmid: Weil man vorher diskutiert.

derStandard.at: Sie glauben also, dass es nie jemanden gibt, der anders abstimmen würde?

Schmid: Doch, das glaube ich schon. Ich bin gern bei den Grünen, und es ist oft wichtig, im Team zu spielen, damit man die Projekte durchsetzen kann. Sonst könnte ich mich ja auch gleich alleine engagieren. Natürlich haben alle Fehler, aber das gibt es bei den besten Freundschaften.

derStandard.at: Welche Fehler haben die Grünen denn?

Schmid: Die Grünen sind mir oft zu oberlehrerhaft rübergekommen.

derStandard.at: Wie äußert sich das?

Schmid: Ich hatte oft das Gefühl, die wollen mir erklären, wie ich zu leben habe. Das ist nicht ganz mein Ding, das hat sich aber auch gebessert. Den Grünen ist auch bewusst, dass das irgendwie uncool ist. Es ist besser, etwas vorzuschlagen und dann zu versuchen, die Menschen davon zu überzeugen.

derStandard.at: Sie werden Jugendsprecher im Parlament?

Schmid: Das wird noch intern ausgemacht. Wenn ich im Parlament bin, will ich eine Stimme für meine Generation sein und darauf schauen, dass die Zukunft meiner Generation nicht verzockt wird. An die Hypo fließen viele Milliarden, ich habe erlebt, wie in Kärnten Großprojekte finanziert wurden nur fürs Prestige. Auf der anderen Seite wird gesagt, für Bildung ist kein Geld da. Die Schulen schauen noch immer aus wie in den 60er Jahren, das check ich nicht.

derStandard.at: Sie wollen die Jugend vertreten. Sie sind Student, generell sind die Grünen eher eine Akademikerpartei. Wie wollen Sie da zum Beispiel Lehrlinge erreichen?

Schmid: Ich habe mir zum Ziel gesetzt, nicht nur das studentische Milieu erreichen zu wollen. Ich habe im Freundeskreis und bei meinem Zivildienst im Jugendzentrum immer mit Lehrlingen zu tun gehabt. Die Lehrlinge sind sicher keine grüne Kern-Klientel, aber sie sind genauso Bürgerinnen und Bürger der Republik. Bei der Lehrlingsausbildung geht auch viel schief, die ist seit Jahren gleich. Lehrlinge werden teilweise als billige Hilfsarbeiter ausgebeutet. Das ist übrigens ein generelles Problem. Die Leute sind meistens sehr gut ausgebildet und sind dann jahrelang in miesesten Arbeitsverhältnissen.

derStandard.at: Wie wollen Sie das verbessern?

Schmid: Zum Beispiel durch die Erhöhung der Lehrlingsentschädigung. Für die Studenten muss man die Verhältnisse der Praktika ändern. Bis heute tut die Republik so, als gäbe es Praktika überhaupt nicht. Das Wort Praktika gibt es in keinem Gesetz. Man sollte gesetzlich verankern, was bei Praktika geht und was nicht. Es kann nicht sein, dass die Jungen ein Selbstbedienungsladen für die Wirtschaft sind.

derStandard.at: Sie sind noch sehr jung und trotzdem schon sehr lange in der Politik aktiv. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Schmid: Ich habe mir die Entscheidung, zu kandidieren, nicht leichtgemacht. Die Vorteile haben für mich überwogen, ich brenne jetzt einfach dafür, mich zu engagieren. Ich hab noch keine weiteren Zukunftspläne. Ich will dann schauen, was gut gelaufen ist.

derStandard.at: Wollen Sie in der Politik bleiben?

Schmid: Politisch engagieren werde ich mich sicher immer, aber auf diese Frage habe ich einfach keine Antwort. Fünf Jahre Vorausplanung ist in meinem Alter schon krass genug. (Lisa Aigner, derStandard.at, 8.8.2013)