Italiens Kulturminister Massimo Bray strahlt vor Freude. Kaum hatte der Ministerrat seinem Maßnahmenpaket Valore Cultura zur Förderung von Italiens brachliegender Kultur zugestimmt, da jubelte auch schon die Presse, und sie fand lobende Worte für das Paket, das laut Premier Enrico Letta die Wende einläutet. Opernhäusern, Museen, dem Film, ja selbst Pompeji soll es nun besser gehen. Denn man ist auch in Italien zur Einsicht gekommen, dass Kultur ein Wert ist und einen Wert hat, was nicht dasselbe ist.
Von einem Fonds von 75 Millionen Euro ist die Rede, von Arbeitsplätzen für Jugendliche, von dem großen Projekt Pompeji, das auf die Startrampe rollt. Ein Wunder scheint also geschehen zu sein, und das mitten in der Krise, die in Italien nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine politische und dank Silvio Berlusconi eine juristische ist. Von Rechts wegen hat auch das umjubelte Valore Cultura-Paket einen "Schönheitsfehler". Es ist nur ein Entwurf in groben Zügen - eine Powerpoint-Präsentation von sage und schreibe 17 Seiten. Pro Seite stehen allerdings nur wenige, dafür aber markige Sätze. Sie klingen gut, machen sich auch gut als Slogans, Wünsche, Hoffnungen, Vorsätze.
Der Haken ist: Sie stehen vorerst nur auf dem Papier.
Nun heißt es also abwarten, dass der Entwurf Gesetz und damit rechtskräftig wird, um dann eventuell auch konkrete Schritte zu bewirken. Wann, das steht nicht in der Powerpoint-Präsentation. Die Politik der großen Ankündigungen und der winzigen Schritte hatte in Italien Tradition, und wie man sieht, erfreut sich die Strategie auch oder gerade in der Koalitionsregierung großer Beliebtheit. Zugegebenermaßen ist der Ansatz alles andere als ungeschickt, denn vor lauter Furore um den Kulturwert in Power-Format sind die wenigen Details, die die Liste der guten Vorsätze enthält, mehr oder minder unkritisch bis wohlwollend aufgenommen worden, obwohl sie alles andere als wohlwollend sind.
Das Diktat der Kosten
Die Jugendlichen sind nämlich Azubis, Praktikanten, die nach dem Studienabschluss im Süden des Landes die Kultur schon mal digitalisieren sollen. Die Opernhäuser müssen, um aus dem Geldtopf schöpfen zu dürfen, binnen drei Monaten 50 Prozent ihrer Verwaltungskosten einsparen und sind fortan zum Haushaltsausgleich verpflichtet - wie auch zur stärkeren, vor allem kostensparenden Kooperation untereinander. Pompeji soll einen neuen Generaldirektor erhalten, einen Supermanager, der mit 20 Funktionären und fünf Experten die Rettung der archäologischen Stätte in Angriff nehmen wird. Die Ernennung des Verantwortlichen wird binnen 30 Tage nach der Rechtsgültigkeit des Dekrets erfolgen. Ein neuer Anlauf, der x-te.
Statt eine Wende, eine Aufwertung der Kultur zu initiieren, scheint das Paket eher dazu zu dienen, das Image der Regierung - und des bisher blassen Kulturministers - aufzubessern, und zwar ohne große "Unkosten", denn weder kosten die angekündigten Steuererleichterungen für Kulturförderung diese viel, noch sind sie das Ei des Kolumbus, erst recht nicht in Zeiten, wo Sponsoren Mangelware sind.
Die Hoffnung auf die Großzügigkeit privater Geldgeber schwingt aber in dem gesamten Paket mit, um nicht zu sagen: gibt den Grundton an, was bedeutet, dass die Kulturpolitik Italiens nicht vor der Wende steht, sondern weiter auf die Strategie der Entstaatlichung setzt und sich weiter aus der Verantwortung stehlen will. Die Kultur bleibt ein Klotz am Bein, ein wertvoller. (Eva Clausen, DER STANDARD, 7.8.2013)