Tübingen - Bislang ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass vor allem zunehmendes Übergewicht und die von der Fettmasse ausgelösten Stoffwechselvorgänge für den weltweiten Anstieg von Diabetes Typ II sorgen. Nun rückt die Fettleber verstärkt als Ursache ins Blickfeld. So haben Forscher der Universität Tübingen zuletzt den direkten Zusammenhang zwischen einer Fettlebererkrankung und der Entstehung von Diabetes Typ II und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen. 

Viel Kohlenhydrate, hoher Insulinspiegel

Weil schon heute rund 70 Prozent der Übergewichtigen und bis zu 90 Prozent der Diabetiker an einer Fettleber leiden, sprechen Fachleute von einer neuen Volkskrankheit. Ausgelöst wird die nichtalkoholische Fettleber durch zu viele Kalorien - vor allem durch "Kohlenhydrat-Bomben" wie zuckerhaltige Erfrischungsgetränke und vermeintlich "gesunde" Smoothies mit Früchten, aber auch durch Brot und Backwaren. Die hochkonzentriert enthaltenen Kohlenhydrate lassen den Insulinspiegel schnell ansteigen.

"Wird die aus den Kohlenhydraten zur Verfügung gestellte Energie nicht durch körperliche Aktivität verbraucht oder ist die Speicherfähigkeit der Fettzellen erschöpft, wird das Fett an Stellen eingelagert, die gar nicht dafür vorgesehen sind: unter anderem in Muskeln, Leber und Bauchspeicheldrüse", erklärt der Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm. Ab einem Fettanteil von 5,5 Prozent liegt eine Leberverfettung vor (Normalwert <5 Prozent, Anm.Red.).

Da die Fettleber meist keine oder nur unspezifische Schmerzen verursacht, bleibt sie oft jahrelang unerkannt. Wird der Leberfettgehalt nicht etwa durch eine zeitweilige drastische Einschränkung der Kalorienzufuhr reduziert, drohen schwerwiegende Folgeerkrankungen, wie Diabetes Typ II, Gefäßverkalkungen bis hin zu Schlaganfall, Herzinfarkt und Nierenversagen.

Kohlenhydrate machen die Leber fett

"Studien haben gezeigt, dass der Mensch nicht aus Nahrungsfett, sondern aus Kohlenhydraten am effektivsten Fett in der Leber aufbaut", sagt Worm. Fruchtzucker sei besonders problematisch. "Zwei Portionen Obst pro Tag sind völlig in Ordnung. Aber gerade die vielfach als gesund angepriesenen Fruchtsäfte und Smoothies haben zu viel Fruchtzucker und machen auf Dauer krank", so der Ernährungswissenschaftler. Auch der "Zwischendurch-Genuss" stark gesüßter Erfrischungsgetränke und "To go-Snacks" wie Backwaren und Sandwiches lässt den Blutzucker- und Insulinspiegel immer wieder ansteigen und fördert die Fetteinlagerung in der Leber. Besonders problematisch sei das, so Worm, bei Übergewichtigen und schlanken Bewegungsmuffeln.

Die Folgen: Eine sogenannte Insulinresistenz der Leber und damit der erste Schritt zur Entwicklung eines Diabetes Typ II. Verfettet in weiterer Folge die Bauchspeicheldrüse verfettet und kann infolgedessen nicht mehr ausreichend Insulin bereitstellen, kommt es zur Zuckerkrankheit.

In der internationalen Fachliteratur gibt es Hinweise darauf, dass eine vermehrte Fetteinlagerung in Leber und Bauchspeicheldrüse nicht nur zu Funktionsstörungen in den Organen führt, sondern auch für Herz- und Gefäßerkrankungen verantwortlich ist. Auf einer internationalen Fachkonferenz haben führende Leber-Experten die nichtalkoholische Fettleber zum Jahresanfang daher als bedeutenden Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen benannt.

Viel Bewegung, wenig Kohlenhydrate

"Eigentlich lässt sich eine Fettleber ganz einfach vermeiden: Sie müssen nur genauso viel Energie verbrauchen, wie Sie zuführen", so der Ernährungsmediziner Hardy Walle. "Wer durch Sport dafür sorgt, dass die Muskeln gut auf Insulin ansprechen, der hat auch Platz für die nächste Portion Spaghetti und vermeidet die Umwandlung von Kohlenhydraten in Leberfett." (red, derStandard.at, 6.8.2013)