Da wird also Silvio Berlusconi der Korruption schuldig gesprochen, und zwar letztinstanzlich, also aus Sicht der italienischen Justiz über jeden Zweifel erhaben. Aber was tut seine Partei? Sie redet - in Person von Senator Sandro Bondi - ein "Klima des Bürgerkrieges" herbei. Statt das Urteil zur Kenntnis zu nehmen, wird lieber das Höchstgericht in Misskredit gebracht. Das ist völlig inakzeptabel, das ist verbale Brandstifterei.

Bondi ging dabei so vor, wie es sein Meister selbst schon tausende Male getan hat: ablenken und Tatsachen verdrehen. Würde Berlusconi mit 250 km/h geblitzt, würde er behaupten, er sei von anderen Autofahrern dazu genötigt worden und selbst völlig unschuldig. Diese Methode der Täter-Opfer-Umkehr ist eine Konstante in Berlusconis politischer wie auch gerichtlicher Karriere. Tatsächlich schaffte und schafft es der Cavaliere immer wieder, abzulenken und seine Gerichtsverfahren dermaßen zu politisieren, sodass er plötzlich als "Märtyrer der Justiz" dasteht.

Dieses Spiel funktioniert seit Jahrzehnten erstaunlich gut und sichert immer wieder knackige Schlagzeilen. Daher wird es Berlusconi noch lange nicht aufgeben. Dabei wäre es besser für Italien, sich mit der exorbitanten Staatsverschuldung und der dramatischen Jugendarbeitslosigkeit zu befassen - beide existenzielle Themen und viel wichtiger als die Befindlichkeiten eines Egozentikers, der das Land lange genug aus reinem Eigennutz getäuscht hat.(Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 6.8.2013)