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Robert Lugar: "Ich finde Frau Glawischnig und Herrn Kogler sehr sympathisch, auch wenn dieser mich für einen Sektenanbeter hält."

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Der Klubobmann des Team Stronach, Robert Lugar, stellt im Gespräch mit derStandard.at Bedingungen für eine mögliche Koalition: "Wenn wir in eine Regierung gehen, muss es einen Fünf-Jahres-Plan geben, wobei am Ende ein ausgeglichener Haushalt steht. Eine weitere Koalitionsbedingung: Wir wollen die totale Autonomie der Schulen." Ähnlich wie die ÖVP will auch das Team Stronach Sozialbetrug bekämpfen. Außerdem lässt Lugar mit einer gesellschaftspolitischen Idee aufhorchen, um Abtreibungen zu verhindern: Frauen, die keine Möglichkeit sehen, ihr Kind "auszutragen", sollten die Möglichkeit haben, das Ungeborene über einen Rechtsanwalt an ungewollt kinderlose Paare weiterzugeben.

derStandard.at: Das Team Stronach liegt bei den veröffentlichten Umfragen zwischen acht und zehn Prozent. Mit wie viel Prozent der Stimmen rechnen Sie?

Lugar: Nach unseren Umfragen liegen wir zwischen 13 und 15 Prozent. Wir wollen aber mehr als 15 Prozent. Wir wollen ein bestimmender Faktor in der Politik werden und eine Mehrheit abseits von Rot-Schwarz ermöglichen.

derStandard.at: Im Wahlkampf hat man vom Team Stronach bisher noch nicht viel mehr gesehen als die Person Frank Stronach. Reicht der Personenwahlkampf aus, oder sollen auch noch Themen folgen?

Lugar: Natürlich kommen noch einige Themen. Wir haben jedoch folgendes Problem: In der Bevölkerung gibt es eine bestimmte Abstumpfung, sie geht auf Tauchstation. Sie hört so viel von Pensionen, Gesundheit und Verwaltung, dass sie Neues nicht mehr aufnehmen kann und will. Man muss deshalb zuerst eine Person und ihre Eigenschaften zeigen. Im nächsten Schritt geht es darum, zu erklären, wofür wir stehen.

derStandard.at: Sie haben die Gewerkschaften kritisiert. Wollen Sie das Gewerkschaftsthema weiterziehen?

Lugar: Ja, das Gewerkschaftsthema wird uns begleiten bis zum Wahlkampfende und darüber hinaus. Mit dem Angriff der Gewerkschaften wollten wir unsere Wirtschaftskompetenz zeigen. Wir wollen Folgendes klarmachen: Die Gewerkschaft hatte in der Vergangenheit ihre Verdienste vorzuweisen. Sie war ein Puffer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber war der Ausbeuter, der Arbeitnehmer der Ausgebeutete. Heute findet aber gerade in Kleinbetrieben ein Miteinander statt. Das will die Gewerkschaft einfach nicht wahrhaben. Die Gewerkschaft ist eine Schattenregierung, die viele wichtige Dinge verhindert.

derStandard.at: Welche Koalitionsbedingungen würden Sie stellen?

Lugar: Wenn wir in eine Regierung gehen, muss es einen Fünf-Jahres-Plan geben, wobei am Ende ein ausgeglichener Haushalt steht. Das ist unverhandelbar. Eine weitere Koalitionsbedingung: Wir wollen die totale Autonomie der Schulen.

derStandard.at: Wie stellen Sie sich das vor?

Lugar: Es gibt einen Schuldirektor der von den Eltern gewählt wird. Die Schule wird finanziert mit einem Budget, das auch auf die geografische Lage der Schule Rücksicht nimmt. Denn im zehnten Bezirk hat eine Schule einen anderen Bedarf als in Perchtoldsdorf. Der Direktor agiert autonom wie ein Unternehmer. Er sucht sich seine Lehrer selbst aus. Der Lernerfolg seiner Schüler wird zweimal im Jahr kontrolliert. Das ist quasi ein permanenter Pisa-Test. Gegebenenfalls wird den Schulen mehr Geld für sonderpädagogische Maßnahmen zur Verfügung gestellt, damit die Schüler ein gewisses Niveau erreichen können. Jeder muss nach neun Jahren Pflichtschule lesen, rechnen und schreiben können.

derStandard.at: Aufgrund welcher Kenntnisse sollen die Eltern einen Direktor wählen?

Lugar: Es soll ein Hearing geben für alle Eltern, die wollen, bei dem sich mehrere Kandidaten vorstellen. Gewählt wird der Direktor alle vier Jahre. Ein guter Direktor wird auch weiterhin gewählt werden.

derStandard.at: Wenn die Karriere des Direktors von Erfolg der Schüler abhängen würde, würde er vermutlich einen massiven Druck auf die Schüler ausüben.

Lugar: Es geht nicht darum, den Druck auf die Schüler zu erhöhen. Es sollen lediglich gezielte Maßnahmen gesetzt werden.

derStandard.at: Sollten die Testergebnisse der Schulen veröffentlicht werden?

Lugar: Das ist nicht geplant. Wenn der Direktor die Vorgaben nicht schafft, wird er ohnehin ausgetauscht.  Ich halte es für einen Riesenfehler, dass Begüterte ihre Kinder in Privatschulen schicken. So entsteht ein Selektionsmechanismus. Migrantenkinder haben das gleiche Potenzial wie alle andere Kinder, sie brauchen vielleicht mehr Förderung. Ich habe meine Kinder ganz bewusst in eine öffentliche Schule geschickt.

derStandard.at: Die ÖVP würde jetzt vermutlich sagen, dass Sie Gleichmacherei betreiben und es Unterschiede geben muss.

Lugar: Wir sind auch für Elitenbildung. Es ist ewig schade, wenn man die wirklich Hochbegabten nicht ausreichend fördert.  Auch soziale Begabungen sollten mehr gefördert worden. Dazu gibt es viele Modelle, etwa in Montessori- oder Rudolf-Steiner-Schulen. Das könnte man im autonomen Schulmodell alles einbeziehen.

derStandard.at: Mit wem würden Sie am liebsten in der Regierung sitzen?

Lugar: Mit jenen, die mit uns die ganze lange Liste abarbeiten wollen, die wir haben: Bildung, Pensionen, Gesundheit, Verwaltung und viele andere Themen warten mitunter seit Jahrzehnten auf eine Lösung. Wir würden eine Sachkoalition eingehen und keine Farbenkoalition. Wir würden niemals mit Rot und Schwarz eine Dreierkoalition eingehen. Das wäre nur "more of the same".

derStandard.at: Eva Glawischnig hat auf Bundesbebene eine Koalition mit Ihnen ausgeschlossen, obwohl in Salzburg Schwarz-Grün-Stronach möglich ist. Wie können Sie sich das erklären?

Lugar: Ich finde Frau Glawischnig und Herrn Kogler (Werner Kogler, Anm.) sehr sympathisch, auch wenn dieser mich für einen Sektenanbeter hält. Aber egal ob mich Kogler mag oder nicht: Ich denke, dass eine Sachkoalition möglich wäre. Die Grünen wollen viele Dinge, die wir auch wollen. Auf den Rest müssten wir uns in den Verhandlungen einigen. Auch mit den Freiheitlichen haben wir keine Berührungsängste, obwohl uns vieles, etwa beim Ausländerthema, nicht gefällt.

derStandard.at: Welche Staatsbetriebe wollen Sie für Ihr ausgeglichenes Budget verkaufen?

Lugar: Wir verkaufen nichts. Das mit dem Familiensilberverkauf hat ja bereits Karl-Heinz Grasser erledigt. Aber es gibt viel Geld zu holen. Eine Milliarde schlummert im Sozialbetrug, eine Milliarde ist bei den Scheinfirmen zu holen, zwei Milliarden beim Pfusch, drei Milliarden bei den Steuerhinterziehern. Der  Gesamtbereich der Korruption betrifft 20 Milliarden.  Auch durch eine Verwaltungsreform könnte noch viel Geld lukriert werden.

derStandard.at: Wie wollen Sie den Sozialbetrug bekämpfen?

Lugar: Jeder der Sozialleistungen will, muss Transparenz an den Tag legen. Josef Prölls Transparenzdatenbank ist eine der wenigen guten Ideen, die man umsetzen müsste. Die Länder, Gemeinden und das Finanzamt müsste man stärker mit einbeziehen. Auch bei den Gemeindewohnungen müsste man regelmäßig überprüfen, ob der Anspruch noch da sein. Eine Gemeindewohnung muss für sozial Schwache da sein. Wer es sich leisten kann, soll marktübliche Preise zahlen. Auch der Herr Abgeordnete Peter Pilz.

derStandard.at: Sie haben gesagt, die Finanzministerin belohnt Steuerhinterzieher mit ihrem Schweizer Abkommen?

Lugar: Frau Fekter belohnt alle, die betrogen haben. Sie zahlen letztlich weniger Steuern und sind reingewaschen. Das Signal ist: Es lohnt sich, nicht ehrlich zu sein. Es hätte ein Transparenzabkommen mit der Schweiz und allen anderen Ländern gebraucht. Das ist zugegeben schwierig.

derStandard.at: Frank Stronach will seine Steuererklärung nun doch nicht veröffentlichen?

Lugar: Doch.

derStandard.at: Und wann?

Lugar: Wir arbeiten daran. Er hat ja über 300 Firmen weltweit und gewaltig viele Einkünfte. Es gibt ein Steuerabkommen zwischen Österreich, Kanada und der Schweiz. Wir müssen jetzt einmal auseinanderdividieren, wohin wie viel Steuergeld fließt. Und wir müssen uns noch überlegen, wie wir das alles transparent machen. Mehrere Steuerberater sind damit beschäftigt.

derStandard.at: Soll das noch vor den Wahlen veröffentlicht werden?

Lugar: Auf jeden Fall. Sonst beschäftigt uns das Thema noch im ganzen Wahlkampf. Die anderen Parteien würden dann immer sagen, er ist ein Steuerflüchtling, was überhaupt nicht stimmt.

derStandard.at: Zur Gesellschaftspolitik. Wie würden Sie die Geburtenrate ankurbeln, wenn Sie das überhaupt wollen?

Lugar: Man kann niemanden ein Kind verordnen. Wenn sich jemand aus wirtschaftlichen Gründen dagegen entscheidet oder weil es an der Kinderbetreuung mangelt, kann und muss der Staat eingreifen. Trotzdem glaube ich nicht, dass wir die Geburtenrate steigern können. Es gibt allerdings 30.000 Paare in Österreich, die keine Kinder bekommen können. Für sie hätten wir ein gutes Modell.

derStandard.at: Welches?

Lugar: In Österreich haben wir schätzungsweise 60.000 Abtreibungen. Viele Frauen sehen keine Möglichkeit, das Kind auszutragen. Diese könnten mit den kinderlosen Paaren eine Vereinbarung treffen und das Kind austragen. Es ist ja auch für viele Frauen eine psychische Belastung, wenn sie ein Kind abtreiben. So könnte das Kind trotzdem leben.

derStandard.at: Wie sollen Sie das praktisch vereinbaren?

Lugar: Über einen Rechtsanwalt, der das anonymisiert, kann sich die Frau auf die Suche nach Adoptiveltern machen.

derStandard.at: Wollen Sie die Fristenlösung ändern?

Lugar: Es war mir klar, dass Sie das fragen. Nein, sie soll so bleiben.

derStandard.at: Kathrin Nachbaur hat angekündigt, sie will Finanzministerin werden. Was macht sie, wenn daraus nichts wird?

Lugar: Sie wird einfache Abgeordnete.

derStandard.at: Und Frank Stronach wird Ihren Job übernehmen?

Lugar: Das wird sich weisen. Er wird jedenfalls fix als Abgeordneter in den Nationalrat einziehen.

derStandard.at: Um wie viel überschreitet das Team Stronach eigentlich die Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro?

Lugar: Wie versuchen uns daran zu halten. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 7.8.2013)