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Demonstranten wurden davon abgehalten, zum Gerichtsgebäude in Silivri vorzudringen.

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Die Polizei setzte auch Tränengas ein.

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Auch vor dem Gerichtsgebäude gab es strenge Sicherheitsvorkehrungen.

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Der türkische Mammutprozess um die mutmaßliche Verschwörergruppe Ergenekon ist am Montag mit harten Urteilen zu Ende gegangen. Mindestens zwölf der 275 Angeklagten wurden "wegen gewaltsamen Umsturzversuches" zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, unter ihnen der frühere Generalstabschef Ilker Basbug. Vor dem Gericht in Silivri nahe Istanbul ging die Polizei mit Tränengas gegen rund zehntausend regierungskritische Demonstranten vor, die Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Rachefeldzug gegen seine Kritiker vorwerfen.

Große Prominenz der Angeklagten

Zwar gab das Gericht am Montag auch 21 Freisprüche bekannt, außerdem kommen 17 Verurteilte durch Einrechnung ihrer langjährigen Untersuchungshaft auf freien Fuß. Gegen alle restlichen Angeklagten, die nicht lebenslänglich bekamen, wurden aber Gefängnisstrafen zwischen zwei und 50 Jahren verhängt. Die Entscheidungen werden jetzt vom Berufungsgericht in Ankara überprüft.

Die angeblichen Putschpläne gegen den islamisch-konservativen Regierungschef Erdogan erhitzen die Gemüter in der Türkei seit Jahren. Die hohe Zahl und große Prominenz der Angeklagten sowie die Reichweite der Vorwürfe machten den fast fünf Jahre laufenden Prozess besonders brisant. Die 600 Verhandlungstage fanden in einem eigens gebauten Saal auf dem Gelände eines Gefängnisses statt, die Anklageschriften der Staatsanwaltschaft umfassten mehr als 2.400 Seiten. Unter den Beschuldigten waren neben zahlreichen ranghohen Ex-Armeeangehörigen auch Anwälte, Akademiker und Journalisten.

Ergenekon "Erfindung der Regierung"

Sie sollen den nach der mythischen Heimat der Türken in Zentralasien benannten Geheimbund Ergenekon mit dem Ziel gegründet haben, Erdogan zu stürzen und eine säkulare Militärregierung an die Macht zu bringen. Die Staatsanwaltschaft warf ihrer "terroristischen Organisation" auch Brandstiftung und illegalen Waffenbesitz vor. Die Angeklagten wiesen all das zurück und nennen Ergenekon eine Erfindung der Regierung, um das Ansehen der Armee im Volk zu zerstören.

Waffenlager ausgehoben

Ins Rollen kam die Staatsaffäre im Juni 2007, als in einem Istanbuler Vorort ein geheimes Waffen- und Sprengstofflager ausgehoben wurde, von dem der damalige Führungsstab des Militärs nach eigenem Bekunden nichts wusste. "Dieses Verfahren ist ausschließlich politisch motiviert", sagte der Mitangeklagte Mustafa Balbay im Gerichtssaal. "Heute wird über die Regierung gerichtet, nicht über uns."

Regierungsanhänger: Demokratischer Meilenstein

"Das ist Erdogans Prozess, das ist sein Theater", sagte der oppositionelle Parlamentarier Umut Oran der Nachrichtenagentur Reuters und sprach von einem politischen Prozess. Der verurteilte Ex-Armeechef Basbug hatte noch am Sonntag über den Kurznachrichtendienst Twitter gewarnt, die Öffentlichkeit werde nicht die Verurteilung Unschuldiger hinnehmen. Er sprach von einem "schwarzen Fleck", der in die Geschichtsbücher des Landes geschmiert werde. Auch die EU-Kommission beobachtet den Fall aufmerksam.

Anhänger der Regierung werteten das Ergenekon-Verfahren hingegen als demokratischen Meilenstein in einem Land, dessen Armee 1960, 1971 und 1980 drei Regierungen gewaltsam zu Fall brachte. In einem gesonderten und ebenfalls umstrittenen Putsch-Prozess waren vergangenes Jahr bereits mehr als 300 aktuelle und frühere Armee-Offiziere zu Haftstrafen von bis zu 20 Jahren verurteilt worden, weil sie in einer Militärübung namens "Vorschlaghammer" einen Staatsstreich gegen Erdogan geplant haben sollen. Auch die Investigativ-Journalisten Ahmet Sik und Nedim Sener wurden 2011 aufgrund von Verdächtigungen im Zusammenhang mit Ergenekon vorübergehend festgenommen. (red/APA, 5.8.2013)