Carice und Jelka van Houten in "Jackie".

Foto: Filmladen

Wien - Aus den vielfältigen Familienmodellen der Gegenwart schöpft auch das Kino Stoff für neue Erzählungen. Die erwachsenen Hauptfiguren von Antoinette Beumers Jackie - Wer braucht schon eine Mutter sind zum Beispiel Zwillingstöchter eines schwulen Paares. Ihre leibliche Mutter, ein "Hippiemädchen aus den USA", haben die Niederländerinnen nie kennengelernt. Bis sie eines Tages der Anruf eines amerikanischen Krankenhauses ereilt: Besagte Jackie sei dort Patientin und benötige nun die Hilfe ihrer Familie, um vom Spital in die Reha nach New Mexiko zu kommen. Die Töchter fliegen nach Übersee - und sehen sich bald mit einer ziemlich eigensinnigen "Gebärmutter" konfrontiert.

Die Schwestern Carice und Jelka van Houten spielen die ungleichen Zwillinge Sofie und Daan, die auch untereinander noch ein bisschen etwas zu klären haben. Holly Hunter legt die Jackie (ähnlich wie ihren Guru-Part in Jane Campions aktueller TV-Serie Top of The Lake) als eine Art weise Frau mit entsprechend verwehtem Haar und wenig Dialog an. Das führt manchmal nahe an die Überzeichnung. Andererseits wirken die wenigen Sätze, die Jackie wie Kautabak hinspuckt, umso eindrucksvoller. Insbesondere, wenn sie dabei mit einem Messer eine Schlange köpft oder einen Vergewaltigungsversuch mit einem gezielten Schuss in den Zeh eines Angreifers beendet.

Jackie, der Film, ist als Roadmovie angelegt. Die einzelnen Stationen, die mal mit landschaftlichen Besonderheiten überwältigen (die White Sands), mal mit helfenden "Dykes on Bikes" aufwarten, folgen einer vorhersehbaren Annäherungs- und Läuterungsdramaturgie. Die Figuren bleiben recht schematisch. Trotzdem entwickelt die Erzählung eine gewisse Intensität. Vor allem der Austausch von (heimlichen) Blicken, kleine, beiläufige Beobachtungen, Zwiegespräche oder einfach Großaufnahmen von Jackie, wie sie sich allmählich entpuppt und entspannt, verfehlen ihre berührende Wirkung nicht. Reichlich Taschentücher sollte man jedenfalls dabei haben. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 5.8.2013)