SozialbetrügerIn, klassisch.

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Wer sich oder seinem Unternehmen Sozialleistungen erschleicht, soll dafür bis zu sechs Monate Haft ausfassen. Das ist der Kern einer Gesetzesinitiative, die die ÖVP schon im Herbst durchs Parlament bringen will. Die FPÖ ist dafür, die Gewerkschaft ebenfalls.

Wien – Die ÖVP macht Ernst mit ihrem Wunsch nach einem eigenen Straftatbestand Sozialbetrug. Justizsprecherin Maria Fekter und Sozialsprecher Walter Tancsits präsentierten am Dienstag einen Vorschlag dazu. Er könnte noch im Herbst beschlossen werden, wenn im Strafgesetzbuch ohnehin eine kleine Novellierung ansteht.

Grenzen nicht neu ziehen

Nach Vorstellungen der ÖVP würden künftig unter dem Titel Sozialbetrug Haftstrafen bis zu sechs Monaten und Geldstrafen bis zu 360 Tagessätzen drohen, sofern das Delikt vorsätzlich begangen wurde und finanzieller Schaden "in nicht geringem Umfang" vorliegt.

Die Einführung eines eigenen Tatbestands (über den "normalen" Betrug hinaus) hätte den Vorteil, dass man auf das gesellschaftliche Phänomen reagieren und das Unrechtsbewusstsein der Bevölkerung sensibilisieren könnte. Fekter und Tancsits betonten unisono, dass es nicht darum gehe, die Grenzen zwischen Nachbarschaftshilfe und Pfusch neu zu schreiben. Daher soll es auch so bleiben, dass im Bagatellbereich mit Verwaltungsstrafen das Auslangen gefunden wird.

Ausweitung der Überprüfungen

Die ÖVP-Initiative wurde genau zur selben Zeit präsentiert wie die neuen Zahlen über den Missbrauch des Arbeitslosengeldes – 11.073-mal musste Arbeitslosengeld gesperrt werden, weil der Bezieher angebotene Arbeit nicht aufgenommen hat. So wird bei einer Verweigerung oder Vereitelung der Arbeitsaufnahme, die vom Betrieb gemeldet wird, eine bis zu achtwöchige Sperre des Arbeitslosengeldes verhängt. Schon eine einmalige Verweigerung durch den Arbeitslosen kann zu Sanktionen führen.

Ein weiterer Wunsch der Volkspartei in der Betrugsbekämpfung ist, dass die Überprüfungen der Behörden zeitlich ausgeweitet werden. Tatsächlich arbeiten die 98 mit der Bekämpfung des Pfusches befassten Beamten bis zu 16 Stunden am Tag, sagt die Gewerkschaft.

ÖGB vorsichtig postitiv

Außerdem erscheint der ÖVP ein verstärkter Datentausch zwischen Behörden und Sozialversicherung erforderlich, und bei Ärzten und freiberuflichen Gutachtern sollten im Standesrecht Maßnahmen gegen Gefälligkeitsgutachten geschaffen werden.

Die erste Reaktion des ÖGB ist (im Gegensatz zur sehr skeptischen der SPÖ) vorsichtig positiv: "Nun hat offenbar auch die ÖVP erkannt, dass Sozial- und Steuerbetrug legale Arbeitsplätze vernichtet, legal arbeitende Unternehmen in die Insolvenz treibt und somit in einen Straftatbestand gefasst werden muss", sagte der ÖGB-Vizepräsident und Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Johann Driemer. Schwarzunternehmertum sei organisierter Sozial- und Steuerbetrug.

Würden nur zehn Prozent der Arbeitsleistungen, die heute illegal erbracht werden, von legal arbeitenden Unternehmen geleistet, "bräuchten wir uns keine Gedanken mehr um Selbstbehalte für medizinische Versorgung und um den Erhalt des solidarischen Gesundheitssystems in Österreich machen", argumentiert die Gewerkschaft. (red, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2003)