Die ersten Betroffenen der juristischen Kampagne der amerikanischen Musikindustrie gegen den Download in Internet-Tauschbörsen entsprechen so gar nicht dem üblichen Bild der Napster-Kids. Vorladungen unter Strafandrohung gingen auch an ältere Herren sowie Unbeteiligte, deren Verwandte oder Mitbewohner den eigenen Internet-Account für Musik-Downloads benutzt haben.

750 bis 150.000 Dollar Schadenersatz

Bisher wurden bei Gerichten überall in den USA 911 Vorladungen erwirkt. Die Urheberrechtsgesetze sehen für jeden illegal beschafften Song die Zahlung von Schadensersatz vor, was von 750 bis 150.000 Dollar gehen kann.

"Sobald ich sie sehe, wird das in fünf Minuten zu Ende sein", schimpfte der 67-jährige Gordon Pate aus Dana Point in Kalifornien über seine Tochter, als er von der Vorladung erfuhr. Sein Internet-Provider Comcast Cable wurde vom Verband der Amerikanischen Musikindustrie (RIAA) juristisch gezwungen, die persönlichen Daten herauszurücken. Benutzt wurde der Account von Pates 23-jähriger Tochter Leah, die mit Hilfe einer File-Sharing-Software urheberrechtlich geschützte Musik von den Computern anderer Teilnehmer im Netz heruntergeladen hat.

Erschrocken

Ziemlich erschrocken war die 22-jährige Amy Boggs, die mit dem Internet-Account einer Mitbewohnerin unterwegs war. Nachdem sie von dem drohenden Verfahren erfahren hatte, löschte sie schnell mehr als 1.400 Musikdateien, die sie in Tauschnetzen zusammengetragen hatte. Manchmal habe sie an einem Tag ein paar Dutzend Songs heruntergeladen, berichtet Boggs, darunter Titel von Fleetwood Mac, Blondie, Incubus oder Busta Rhymes. "Ich bin so verängstigt, dass ich nie wieder irgendetwas downloaden will", sagt die junge Frau.

Erschrecken und Einschüchtern

Genau das ist die Absicht von RIAA, deren Vorgehen in der Szene inzwischen als "Shock and Awe" (Erschrecken und Einschüchtern) bezeichnet wird – ein Begriff der US-Streitkräfte zur Kriegführung in Irak. "Die Idee besteht nicht darin, selektiv vorzugehen", erklärt Verbandspräsident Cary Sherman. "Die Leute sollen wissen, dass sie ein Risiko eingehen, wenn sie eine beträchtliche Zahl von Dateien zum Kopieren für andere bereitstellen." Die Nutzer von Tauschbörsen wie Kazaa und Gnutella mussten erkennen, dass übliche Nicknames wie "hottdude0587" oder "blueminkey13" keine Anonymität bieten. RIAA-Späher beobachten den Datenverkehr in den Tauschbörsen, ermitteln die IP-Adressen von Teilnehmern (also die bei jeder Internet-Verbindung zugeteilte Adresse nach dem Internet-Protokoll) und zwingen die Provider, die zugehörigen Namen preiszugeben.

Der 50-jährige Bob Barnes aus Fresno in Kalifornien nutzte das Internet nach eigenen Angaben, um sonst schwer zu bekommende Musiktitel europäischer Bands hören zu können. Außerdem habe er es satt gehabt, immer CDs kaufen zu müssen, ohne vorher reinhören zu können. Er räumt ein, mehrere hundert Musiktitel über das Netz bereit gestellt zu haben. Die RIAA fand darunter Songs von Marvin Gaye, Savage Garden, Berlin, den Eagles und Dire Straits. Inzwischen gehe er für den Musiktausch aber meistens nur noch dann ins Netz, wenn sein Enkel zu Besuch komme.

"Ich denke, dass sie die Leute nur einschüchtern wollen."

Barnes macht sich Sorgen, dass der Vorladung die Einleitung eines Gerichtsverfahrens folgen könnte. Aber eigentlich erwartet er eher, dass er mit einer Verwarnung davon kommt: "Ich denke, dass sie die Leute nur einschüchtern wollen." (APA/AP)