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Zigarettenschmuggel nach Europa

Foto: APA
Der jüngste Erfolg der Zollfahndung - 70 Millionen Zigaretten beschlagnahmt - bestätigt: Wien ist zur Drehscheibe im internationalen Schmuggelverkehr von Asien nach England geworden. Der direkte Seeweg ist Produktpiraten zu gefährlich geworden.

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Was in den kommenden Tagen in Wien und Hamburg in Müllverbrennungsanlagen in Rauch aufgehen wird, hätte ausgereicht, um alle Raucher Österreichs zwei Tage lang mit jeweils einer Packung Zigaretten zu versorgen. Insgesamt 350.000 Stangen (70 Millionen Zigaretten) Superkings, Benson & Hedges und Regal hat die Zollfahndung aus dem internationalen Schmuggelverkehr gezogen. Sieben mutmaßliche israelische Drahtzieher müssen nun vorläufig Zigarettenpause im Wiener Landesgericht machen. Ihnen droht eine Finanzstrafe von 37 Millionen Euro.

"Die Ware war, wie fast immer bei derartigen Aufgriffsmengen, für den englischen Schwarzmarkt bestimmt", berichtete Dienstag Johannes Spalj, der Leiter des Betrugsdezernates bei der Zollfahndung, dem STANDARD. In England beträgt der Durchschnittspreis für eine Packung umgerechnet 6,40 Euro. Die Gewinnspanne für Schmuggler ist also enorm.

Nur in Norwegen sind Zigaretten mit einem durchschnittlichen Preis von 8,40 Euro noch teurer. "Dort läuft der Schmuggel über die russische Schiene", so Spalj. Die nun in Wien und Hamburg sichergestellten Zigaretten stammen aus China. "Billiges, nachgemachtes Kraut", meint Nichtraucher Spalj. Die Schmuggelroute habe sich in den vergangenen Monaten verändert: "Zahlreiche Transaktionen laufen über großen Containerschiffe aus China."

Smoke on the Water

Weil ihnen die Zollfahnder mit häufigen Sicherstellungen ins Geschäft pfuschen, weicht der Smoke-on-the-Water-Schmuggel immer öfter über das europäische Festland aus. Damit ist Wien zur Drehscheibe im internationalen Schmuggelverkehr geworden.

Die Route: Mit falschen Papieren hinter "Waren aller Art" aus dem asiatischen Raum auf großen Containerschiffen versteckt, reisen Millionen von Schmuggelzigaretten vom Hafen in Hongkong über den Indischen Ozean den Suezkanal hinauf über das Mittelmeer. Bei Gibraltar geht die Fahrt im Atlantik die europäischen Küsten entlang bis nach Hamburg. Solche Handelsschiffe bergen 500 bis 3000 Container, in einigen davon findet sich mitunter "heiße Ware".

Schmuggelware per Bahn

Von Hamburg nützen die Schmuggler Containerzüge der Bahn. Auf der Schiene werden die Zigaretten durch den EU-Raum transportiert - im aktuellen Fall bis zum Wiener Nord- und zum Westbahnhof, wo auf dem Containerterminal das Aus kam. Andernfalls wäre die Reise weiter per Bahn in den Norden, nach Hamburg zurück oder bis nach Rotterdam, gegangen. Von dort wird die Schmuggelware üblicherweise dann endlich ins Bestimmungsland England geschafft, entweder mit der Fähre oder durch den britisch-französischen Eurotunnel unter dem Ärmelkanal.

Die sieben israelischen U-Häftlinge weisen die Vorwürfe zurück. Die belastenden Indizien von Telefonüberwachungsprotokollen bis zu gefälschten Rechnungen und Aufträgen sind aber laut Zollfahndung erdrückend.

Mexikoplatz

Zwei der Verdächtigen betrieben Handel mit Waren aller Art in der Nähe des Mexikoplatzes in Wien-Leopoldstadt. Der Mexikoplatz gilt seit jeher als Zentrum des illegalen Schwarzmarktes. Die anderen fünf Verdächtigen sind in Österreich nicht gemeldet. Sie sollen immer wieder zu "Geschäftsbesuchen" eingeflogen worden sein. (simo/DER STANDARD; Printausgabe, 30.7.2003)