Andererseits besticht die Modernität einer Debatte, die Ibsen als bewährter Anwalt weiblicher Selbstbestimmung anno 1888 wie ein gewiefter Rechtsverdreher führte. Ellida erhält die Wahlfreiheit zwischen zwei Männern - deren einer obendrein nur ihrer Einbildung zu entspringen scheint - einzig zu dem Zweck eingeräumt, um sich erst recht wieder für das sichere Ehegefängnis zu entscheiden. Häuslichkeit schlägt das Begehren aus dem Feld.
Einbauküchenzeile
Aus den sprichwörtlichen "freien Stücken" werden offenbar die dauerhaftesten Eheketten geschmiedet. - Im Salzburger "republic", wo das Young Directors Project der Festspiele mit Susan Sontags Adaption von Ibsens Stück Seejungfrauenliteratur startete, bekommt Ellida (Anika Mauer) aber auch noch eine Einbauküchenzeile aus blitzblankem Nirostastahl geschenkt. Dazu eine Stangenbrause und eine Blechturbinenlandschaft, als müsse das arme Wesen in Wangels Haus nahe dem provinzstädtischen Entlastungsgerinne ihr herzlich unverstandenes Hausfrauendasein fristen (Bühne: Christin Vahl).
Susan Sontags beherztes Schürzen des Handlungsknotens verleitet Regisseurin Monika Gintersdorfer, den Eheknast fest im Blick, zum Einrennen moralisch offen stehender Zellentüren. Die "moderne" Ehe hilft jenen faulen Frieden sichern, der den Figuren mächtig ins Gesicht, aufs Gemüt und auf die zuckenden Gliedmaßen schlägt.
Im Berliner Turnverband der Jungregisseurin führt jede Unstimmigkeit zwischen Sagen und Meinen -von der Ibsens Dialogkunst mit der zähen Kraft der aufschiebenden Wirkung zehrt - sofort zu anfallsartigen Entäußerungen und Fischhäutungen. Das Berliner Deutsche Theater macht schniefend und beineinknickend einen auf Klein-Castorf. Dergleichen Hochmut rächt sich bitter.
Der augenblitzende Eheidiot und Provinzmediziner Wangel (Hans Kremer), der seine Krawattenspitze in den Hosenbund hineinstopft, als fiele er sonst gleich aus seinem Stangenanzug heraus, prüft hundert mögliche Haltungen. Als stünde es allein im Ermessen der kleinen, stotternden Menschlein, ihre jeweilige Einstellung zu Gott, Welt und Partner zu wechseln wie andere nicht einmal ihre Markenunterwäsche.