Bild nicht mehr verfügbar.

Lässt Österreich am Treffpunkt Europa die Sterne hell leuchten? Ex-Außenministerin Plassnik meint: "Wir müssen nur wollen und tun."

Foto: APA

Bild nicht mehr verfügbar.

Ursula Plassnik: realistisch bleiben und überzeugen.

Foto: APA

Gut, dass auch im heißen Vowahlsommer öffentlich darüber diskutiert wird, wie eine zeitgemäße österreichische Außenpolitik aussehen soll. Die Bevölkerung erwartet sich gerade bei der Vertretung Österreichs in der Welt kompetentes Auftreten und Handeln. Eurobarometer-Umfragen zeigen regelmäßig eine gemeinsame europäische Außenpolitik ganz oben auf der "Wunschliste" der Österreicher. Die Interessen Österreichs in der Welt klug einzubringen ist im Zeitalter der Vernetztheit anspruchsvolle Daueraufgabe. Dabei ist der Raum des Gestaltbaren zwar kleiner als die Großmannssucht der einen, aber deutlich größer als die Schrumpfsucht anderer kritischer Außenpolitik-Beobachter. Zu mentalem Souveränitätsverzicht besteht keinerlei Anlass. Erfolgsorientierter internationaler Gestaltungswille muss auf einem runderneuerten Koordinatensystem gedacht und entwickelt werden.

Österreich ist ein vollintegrierter Teilhaber der EU, guter Nachbar und engagiertes Uno-Mitglied. Auf diesen drei Säulen entfalteten sich unsere internationalen Beziehungen im Alltag. Manches ist allerdings bereits in der Mülltonne der Geschichte gelandet: spektakuläre Alleingänge, Extrawürste, Nostalgie-Fantasien, Ost-West-Brückenbauen. Gestrichen mangels Nachfrage. Nach wie vor unverzichtbar bleiben: die Wahrung realistisch definierter Eigenständigkeit, das Mitwirken an gemeinsamen Lösungen, die hartnäckige Überzeugungsarbeit für zukunftsfeste Positionierungen im "Weltdorf".

Die EU- und Uno-Mitgliedschaft bewirkt einerseits das Streben nach einheitlichem Auftreten und reduziert nationalstaatliche Spielräume. Das ist auch gut so. Denn 28 dissonante nationale Außenpolitiken brächten auch den Österreichern keinerlei Mehrwert. Andererseits erhält österreichische Außenpolitik überall dort erhöhte Wirksamkeit, wo sie eingebettet ist in gemeinsames europäisches oder weltweites Agieren. Hebelwirkung und Verhandlungsmacht von 28 geeinten Europäern gegenüber Partnern wie den USA, China, Russland, dem Iran, den Brics-Staaten oder den "New 11" sind etwa in der EU-Handelspolitik unbestreitbar größer als die jedes einzelnen EU-Mitglieds. Souveränität bedeutet im komplexen Beziehungsgeflecht der Globalisierung eben nicht mehr rumpelstilzchenartige Solotänze, sondern unentwegtes Mitgestalten und Mitverantworten bei einer wachsenden Themenvielfalt. Wer - wie Österreich - jedwede "Brüsseler Diktatur" ablehnt, muss sich laufend selbstbewusst an der Produktion gemeinsamer europäischer Politik beteiligen. Österreich hat in allen EU-Institutionen Sitz, Stimme und Einfluss. Im neuen Modell gemeinsamer Souveränitätsausübung haben wir unvergleichlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten als im Alleingang. Wir müssen nur wollen und tun.

Einige Beispiele: Kroatien ist gerade EU-Mitglied geworden. Das wäre ohne den Einsatz österreichischer Außenpolitiker von Alois Mocks heiß umfehdeter Anerkennungspolitik der 90er-Jahre bis zur konsequenten Arbeit vieler österreichischer Politiker in den EU-Institutionen (einschließlich Hannes Swobodas im EP) und die Pionierleistungen österreichischer Unternehmen in der gesamten Region unmöglich gewesen. 2005 hat Österreich gegen härtesten Widerstand den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen federführend durchsetzen geholfen. Die Entkoppelung Kroatiens von den Türkei-Verhandlungen war allein Österreichs Verdienst. Heute gilt das nachdrückliche österreichische Engagement unseren serbischen Freunden. Wie auch Montenegro, FYROM, Albanien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo. Die Staatswerdung des Kosovo ist ein wegweisendes Beispiel, wie in der EU eine kritische Masse gemeinsamen Wollens generiert und operationalisiert werden kann. In allen Fragen der zukünftigen GASP wird es genau darauf ankommen: gemeinsames Handeln zu ermöglichen durch zähe interne Verhandlungen und Überwindung nationaler Vorbehalte und Partikularinteressen.

Donau- und Alpenraum

Vizekanzler Michael Spindelegger hat nicht nur in der Sudan-Frage vermittelt und beim EU-Waffenembargo für Syrien Kante gezeigt. Er ist auch Motor der "EU-Donauraum-Strategie". Eine EU- Alpenstrategie ist im Werden.

Seit Jahrzehnten setzt sich Österreich international konsequent für Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Solidarität ein. Längst Hand in Hand durch Berufsdiplomaten und Zivilgesellschaft. Zugegeben, unser finanzieller Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit müsste erheblich größer sein. Aber zukunftsweisende Akzente dürfen deswegen nicht unterbelichtet bleiben: der Einsatz für die stärkere Einbeziehung von Frauen im öffentlichen Raum und in der Wirtschaft. Das Engagement zugunsten der Sicherheit von Journalisten, ein unabdingbarer Bestandteil moderner Gesellschaften. Der Schutz der Zivilbevölkerungen in bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen. Der Ausbau des internationalen Menschrechtsschutz-Systems, das Ende der Straflosigkeit, die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts - bei all diesen Anliegen wird Österreichs Einsatz in EU und Uno anerkannt und geschätzt, nicht nur während unserer Zeit im UN-Sicherheitsrat oder im Menschenrechtsrat.

In der internationalen Friedensarbeit macht Österreich vielfach an vorderster Front mit: ob im Tschad oder in Mali, in Libyen oder auf dem Balkan, auf dem Golan, im Südlibanon oder in Rafah - wir stellen Experten, Polizisten, Richter und Soldaten für EU- und Uno-Missionen. Klar, auch hier gibt es punktuell Verbesserungsbedarf. Aber - Hand aufs Herz - wie viele österreichische Jugendliche wären tatsächlich bereit, nicht nur auf Demos oder bei Entwicklungsprojekten, sondern auch als Freiwillige beim Bundesheer an internationalen Friedenseinsätzen mitzuwirken?

Österreich hat im Dialog der Religionen wie auch beim Schutz der Christen in der Welt viel anzubieten. Mehr denn je müssen wir im Weltdorf lernen, mit der Vielfalt der Kulturen, Religionen und Traditionen im täglichen Leben umzugehen. Wie bei anderen Themen, etwa der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, hat heute jedes Land ein dringendes Interesse daran zu lernen, wer die besten Lösungsansätze entwickelt. Eine moderne Form internationaler Arbeitsteilung, durchaus mit erheblichen Gestaltungsräumen.

Selbst-Provinzialisierer

Die in der Regierung Gusenbauer/Molterer durchgesetzte Umbenennung des Außenamtes in "Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten" hat in diesem Licht programmatischen Charakter. "Außen" ist im Zeitalter der Globalisierung für den EU-Teilhaber Österreich schlicht ein überholter Begriff. Inzwischen arbeiten allerdings einige ideenarme Selbst-Provinzialisierer medial eifrig an der Abschaffung des Außenamtes. Bundeskanzler Faymann hat klugerweise den Rufen nach einer Neuordnung der EU-Kompetenzen postwendend eine Abfuhr erteilt. Er habe "eine sehr enge und gut koordinierte Abstimmung mit dem Außenminister". (Ursula Plassnik, DER STANDARD, 3.8.2013)