Den Umgang des offiziellen Österreich mit seinem Weltkulturerbe zeichnet vor allem eines aus: Er ist schlampig, halbherzig und trickreich. Also typisch österreichisch. Vor allem bei der "Semmeringbahn".

Das ist nicht zufällig so, ging es doch im Grunde nie um die Natur- oder Kulturlandschaft auf dem touristisch als "Zauberberg" vermarkteten Berg, sondern um das Loch unten durch. Das zeigen 30 Jahre Verhinderung. Überspitzt formuliert: Um die zu Zeiten des Eisernen Vorhangs wichtige Lebensader in die Steiermark zu unterbinden, nahm St. Pölten sogar das Unesco-Welterbe Ghega-Bahn in Kauf.

Nun, da alle Autobahnen errichtet sind, die sich Bauherren wünschen können, und dem Tunnelbau (außer Umweltprüfung und Geldmangel) nichts mehr im Wege steht, zeigt sich, wie brüchig der 1998 von Kulturministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) erwirkte Welterbeschutz zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag ist. Das Denkmalamt hatte 1997, also noch vor dem Unesco-Entscheid, vorsorglich die beiden Bahnhöfe ausgenommen, um Tunnelportale außerhalb des Welterbegebiets betonieren zu können. 2010 wurden die 8800 Hektar gar zerteilt, Welterbe sind nur mehr schlanke 156 Hektar mit Ghega-Bahn, der Rest mehr oder weniger schutzwürdige „Pufferzone". Zuletzt wurde sogar die Landschaft aus der Bezeichnung gestrichen. Aber wie sagen die Tunnelbefürworter so schön: Der Semmering­basistunnel dient ja der Entlastung des Welterbes. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 3./4.8.2013)