Jeden Tag wird klarer, warum die USA die Enthüllungen von Edward Snowden fürchten. Diese Woche wurde bekannt, dass Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA auf E-Mails, Facebook-Chats und Browserverläufe zugreifen können - auch in Echtzeit. Es werden so viele Daten gesammelt, dass der Speicherplatz auf den NSA-Servern nicht ansatzweise ausreicht.

Am Freitag informierten Süddeutsche Zeitung und NDR unter Berufung auf Dokumente, die von Snowden stammen: Telekommunikationsanbieter in Europa sind noch stärker in Abhöraktionen von Geheimdiensten verwickelt als bisher angenommen. Der britische Geheimdienst GCHQ, ein enger Partner des US-Dienstes NSA, arbeitet mit sieben großen Firmen zusammen. Es bestehe ein engmaschiges Netz über Europa, in Deutschland gebe es große Datenzentren. Österreichische Partnerfirmen behaupten, es würden "selbstverständlich keine Kundendaten" weitergegeben.

Aber ob Daten nicht tatsächlich anderswo landen - wer kann das nach den bisher bekannt gewordenen Informationen mit Sicherheit behaupten? Genauso verwundert die Festlegung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in der ZiB 2, sie schließe aus, dass es einen Kontakt mit dem US-Geheimdienst gebe, "weil wir generell mit der NSA keinen Kontakt haben".

So eine Aussage ist mutig. Erst vor kurzem hat US-Botschafter William Eacho der Ministerin telefonisch mitgeteilt, dass auch Daten österreichischer Bürger erfasst werden. Im gleichen Interview klagte Mikl-Leitner darüber, dass es keine Aufklärung dazu von den USA gebe, die bisherigen Antworten seien nicht ausreichend.

Die Aufregung darüber hält sich in Europa auf politischer Ebene erstaunlicherweise in Grenzen - nicht nur in Österreich. Das gilt auch für Deutschland. Das vorgebliche Nichtwissen von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird immer unglaubwürdiger. Der deutsche Verfassungsschutz hat inzwischen zugegeben, das XKeyscore-System, das Zugriff auf gewaltige Internetdatenmengen ermöglicht, einzusetzen - wenn auch angeblich nur zu Testzwecken.

Es wird mit jedem Tag deutlicher, dass sich die Europäer von der amerikanischen Paranoia anstecken haben lassen. Die Privatsphäre wurde für die gefühlte Sicherheit geopfert. In Europa wurde im Gefolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 die Vorratsdatenspeicherung beschlossen, die vorsieht, dass alle Verbindungsdaten im Telekommunikationsbereich sechs Monate gespeichert werden müssen. NSA-Vizechef John Inglis sprach diese Woche vor dem Justizausschuss des US-Senats davon, dass in dutzenden Fällen die Überwachung hilfreich gewesen sei. Konkret konnte er aber nur einen Fall nennen, der ohne Datenbank nicht aufgedeckt worden wäre.

Die EU-Staaten müssen sich zu einer einheitlichen Linie durchringen und das allen Europäern zustehende und auch gültige Grundrecht durchsetzen: "Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten."

Selbst Internetaktivisten wie der deutsche Blogger Sascha Lobo sprechen von "Ironie des Schicksals", dass Snowden ausgepackt habe "und sein Leben im Prinzip riskiert hat dafür, dass Grundrechte gewahrt werden, und nun in einem Land gelandet ist, dem Grundrechte verhältnismäßig egal sind". Die USA können nicht mehr länger in Anspruch nehmen, Vorkämpfer für Freiheitsrechte zu sein. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 3.8.2013)