Während des Bosnienkrieges vor etwas über 20 Jahren, der gekennzeichnet war durch die lange Belagerung von Sarajewo, durch Massenvergewaltigungen und das Massaker von Srebrenica, kamen etwa 90.000 Bosnier als Flüchtlinge nach Österreich. Heute leben etwa 120.000 Personen mit bosnischem Hintergrund bei uns, etwa 50.000 davon sind bereits eingebürgert. Die Mehrheit der Bosnier ist übrigens muslimisch.

Dieser massive Flüchtlingsschub aus dem ex-jugoslawischen Kriegsgebiet Anfang der Neunzigerjahre wurde von Österreich mehr oder weniger problemlos absorbiert. Gewiss – unmittelbar darauf startete Jörg Haider sein ausländerfeindliches Volksbegehren. Aber die Bosnier bilden heute in der öffentlichen Wahrnehmung und auch in der ausländer- und islamfeindlichen Rhetorik der Strache-FPÖ keine "Pro­blemgruppe".

Warum dann die Aufregung um ein paar Kriegsflüchtlinge aus Pakistan ("Votivkirchen-Besetzer")? Warum vertrauen wir nicht darauf, dass es auch hier gelingen wird, eine kleine Gruppe von Menschen zu "verkraften", denen es nicht gutgeht?

Dass Bosnien einmal (1878-1918) in der Monarchie war und die "Bosniaken" im Ersten Weltkrieg eine Elite-Einheit hat damit kaum etwas zu tun. Dass es sich um Europäer handelt, vielleicht in bisschen.

Der Hauptgrund aber dürfte sein, dass in den Jahrzehnten seither die muslimische Welt als bedrohlicher Unruheherd wahrgenommen wurde und wird. Inzwischen fürchten sich instinktiv viele vor einem Hereintragen der massiven Konflikte aus diesen Regionen.

In der Tat ist Pakistan ein scheiternder, vielleicht schon gescheiterter Staat. Regiert von einer korrupten Elite und einem Militär, das aber weite Gebiete den fundamentalistischen Islamisten überlassen musste. Kritische Intellektuelle und Oppositionelle sind in akuter Gefahr, ja es genügt, als Mädchen in die Schule gehen zu wollen, um von den Taliban in den Kopf geschossen zu werden.

Ähnliches gibt es auch in Afghanistan, in Somalia oder in Nigeria – vollständig oder überwiegend muslimische Gebiete, in denen Extremisten wüten. Da soll man nicht flüchten wollen? Das Konfliktpotenzial in diesen riesigen Gebieten ist nahezu grenzenlos. Kann es sein, dass die schiere Größe des Problems diese merkbare (und oft inhumane, menschenverachtende) Abwehrhaltung hervorruft? Dazu kommt, dass die Asylwerber aus diesen Gebieten und Staaten sich überwiegend aus einer bestimmten sozialen Gruppe rekrutieren – junge Männer mit fehlenden Sprachkenntnissen, fehlender oder nicht verwertbarer Ausbildung und mit ziemlich schlechter sozialer Prognose.

Abgesehen davon haben nicht alle verfolgten Minderheiten nur Opferstatus. In der Zeit vom 11. Juli wird über schwer-kriminelle Clans aus dem Libanon berichtet. Sie kamen als Flüchtlinge, erkennen aber nur ihr archaisches Familiengesetz an.

Fremdenhass und Unmenschlichkeit gibt es hierzulande zur Genüge; aber es gibt auch eine wachsende Angst liberal und human denkender Bürger, von den Folgen der chaotischen, gewalttätigen Umwälzungen in der muslimischen Welt überfordert zu werden. hans.rauscher@derStandard.at (HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 3./4.8.2013)